1. Von Zelda zu Wii Fit

Iwata:

Heute will ich in der letzten Folge der Wii Fit-Interviews fünf Mitglieder des Teams befragen, die für Sound, Design und Planung dieses Projekts zuständig waren. Darf ich Sie bitten, sich zu Beginn kurz vorzustellen?

Minegishi:

Mein Name ist Minegishi, ich arbeite bei der Sound Group des Software Development Department in der Entertainment Analysis & Development Division. Bei diesem Projekt war ich hauptsächlich für die Hintergrundmusik zuständig. Davor habe ich unter anderem am Sound von Spielen der Animal Crossing- und Zelda-Reihe gearbeitet, und bei Twilight Princess1 war ich der Main Composer2. 1 The Legend of Zelda: Twilight Princess, erschienen für Wii und Nintendo GameCube im Dezember 2006.

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2 Zuständig für Komposition und Arrangement der Musik eines Spiels.

Miyagawa:

Mein Name ist Miyagawa, ich bin Sound Programmer und arbeite ebenfalls im Software Development Department. Bei diesem Projekt war ich für die Programmierung der Soundeffekte zuständig. Davor habe ich bei Twilight Princess mitgearbeitet und auch dort vor allem die Soundeffekte entwickelt.

Oyama:

Mein Name ist Oyama, und ich bin im Software Development Department zuständig für Design. Bis jetzt habe ich hauptsächlich an Projekten der Zelda-Serie gearbeitet. Bei Majora’s Mask und The Wind Waker war ich für das Design der Charaktere zuständig, für Twilight Princess habe ich die Gegnercharaktere entworfen. Bei diesem Projekt war ich erstmals für das gesamte Design verantwortlich.

Shibata:

Ich bin Shibata, ebenfalls Designer im Software Development Department. Ich kam direkt nach meinem Eintritt in die Firma zum Wii Fit-Team und habe mich dort hauptsächlich um das Design dreidimensionaler Hintergründe gekümmert. Zwischendurch habe ich beim 3D-Design von Wii Sports und Wii Play mitgearbeitet, bin aber direkt danach ins Wii Fit-Team zurückgekehrt.

Hosaka:

Mein Name ist Hosaka, ich arbeite als Planner im Software Development Department. Bei diesem Projekt habe ich einen Teil der Balancespiele geplant, zuvor war ich verantwortlich für die Planung von Wii Play, und davor habe ich Texte für Animal Crossing: Wild World3 geschrieben. 3 Kommunikationsbasiertes Spiel, in Japan im November 2005, in Europa im März 2006 für den Nintendo DS erschienen.

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Iwata:

Die drei Herren haben also allesamt vorher an Zelda gearbeitet. Was war denn Ihr erster Eindruck, als Sie plötzlich von Zelda an ein Spiel gerieten, bei dem man sich jeden Tag wiegt?

Iwata Asks
Minegishi:

Da Wii Fit und Zelda ja sozusagen an entgegengesetzten Enden des Spielespektrums stehen, war mein erster Eindruck, in einer ganz anderen Welt gelandet zu sein. Allerdings habe ich mich sogar schon lange vor der Arbeit an Zelda für Körperbalance interessiert.

Iwata:

Warum denn das?

Minegishi:

Ich spiele Schlagzeug, und dabei muss man beide Arme und beide Beine gleichzeitig und unabhängig voneinander bewegen. Mit anderen Worten, man braucht eine gute Körperbalance, um anständig zu spielen. Darum begann ich, mich für Struktur und Balance des Körpers zu interessieren. Bei mir zuhause würden Sie etliche Bücher darüber im Regal finden. (lacht)

Iwata:

Dann war Ihre Mitarbeit an Wii Fit ja schon fast Bestimmung! (lacht) Wusste vielleicht jemand im Entwicklerteam, dass Sie sich für Balance interessieren, und hat Sie deshalb für das Wii Fit-Team ausgewählt?

Minegishi:

Ich hatte niemandem davon erzählt, also war es reiner Zufall. Aber natürlich habe ich wegen dieses Hintergrundes gedacht, dass die Arbeit an Wii Fit für mich naheliegend ist. Übrigens habe ich neben der Königsdisziplin Zelda auch an Spielen wie Talentstudio4 gearbeitet. Ich ging davon aus, dass ich durch die Erfahrung mit so verschiedenen Projekten entsprechend offen an Wii Fit würde herangehen können. 4 Mario Artist: Talentstudio, Kreativsoftware, die exklusiv für das 64DD, ein Peripheriegerät für das Nintendo 64, entwickelt wurde.

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Iwata Asks
Iwata:

Das sind wirklich sehr verschiedene Projekte! (lacht) Und wie war es für Sie, Miyagawa-san? Sie waren doch für die Soundeffekte zuständig...

Miyagawa:

Wii Fit war ja ursprünglich als „Health Pack“ angekündigt, darum dachte ich, es ginge dabei um Diät. Wie Sie aber sehen, bin ich nicht gerade der Fülligste... (lächelt gequält)

Iwata:

Viel mehr sollten Sie tatsächlich nicht abnehmen! (lacht)

Alle:

(lachen)

Miyagawa:

Seit ich mich bei Wii Fit gewogen habe, denke ich sogar, dass ich mindestens drei Kilo zunehmen sollte. Ich bin ohnehin ein gesundheitsbewusster Mensch. Ich interessiere mich schon lange dafür, welche Art Essen der Körper braucht und welche Art Sport der Gesundheit am förderlichsten ist. Deshalb dachte ich auch, dass die Arbeit an Wii Fit mir sicher besonders liegen würde.

Iwata:

Sie sind also sozusagen ein wandelndes Gesundheitslexikon! (lacht)

Miyagawa:

Tatsächlich berate ich Freunde gerne in Ernährungsfragen! (lacht) Während der Arbeit an Twilight Princess fand ich die Software-Titel der Touch! Generations-Serie5 sehr interessant, weil sie eine direkte Beziehung zum täglichen Leben haben. Es hat etwas Faszinierendes, wenn Spiele nicht in einer eigenen Welt gespielt werden, sondern die Kenntnisse, die man sich im Spiel erwirbt, nützlich für den Alltag sind. Deshalb habe ich mich auch sehr gefreut, als ich in das Wii Fit-Team aufgenommen wurde. 5 Die Touch! Generations-Serie für Nintendo DS und Wii (u. a. „Gehirn-Jogging“ und „Nintendogs“) spricht hinsichtlich Alter und Geschlecht eine sehr große Bandbreite von Spielern an.

Iwata Asks
Iwata:

Man sollte meinen, dass Entwickler von Zelda zunächst zurückhaltend reagieren, wenn sie erfahren, dass es in ihrem nächsten Spiel um Gesundheit gehen soll. Aber Minegishi-san hatte eine innere Verbindung zum Thema Balance, und Miyagawa-san hatte auf genau so ein Projekt gewartet. Wie war es bei Ihnen, Oyama-san? Sie waren doch zuvor hauptsächlich mit gegnerischen Monstern beschäftigt. Bei den Zelda-Interviews der Iwata fragt-Reihe6 vor einem Jahr erzählten Sie uns, wie Sie Links Gegner entworfen haben... 6 Interviews mit den Entwicklern von „The Legend of Zelda: Twilight Princess“, die auf der Nintendo-Homepage veröffentlicht wurden.

Oyama:

Als ich erfuhr, dass ich Teil des Wii Fit-Teams sein sollte, habe ich mich zunächst gefragt, woran sie bloß arbeiten. Ich hatte nicht die leiseste Ahnung, denn obwohl wir zur selben Abteilung gehören, hatte ich von diesem Projekt so gut wie gar nichts mitbekommen. Dann überlegte ich natürlich, was ich dazu beitragen sollte, nachdem ich doch drei Jahre lang nur Gegner für Zelda-Spiele entworfen hatte. (lacht) Deshalb fühlte ich leider nicht die gleiche schicksalhafte Verbindung zum Thema Gesundheit wie die anderen Teammitglieder. (lacht) Ich erinnere mich nur daran, dass ich mich fragte, wie ich meine bisherigen Erfahrungen in diese ganz neue Art von Software würde einbringen können.

Iwata:

Sie waren doch zum ersten Mal für das Design eines kompletten Spiels zuständig, nicht wahr, Oyama-san? Wii Fit ist zwar nicht so umfangreich wie ein Zelda-Spiel, aber dennoch muss es eine ganz neue Dimension von Verantwortung für Sie gewesen sein, oder?

Oyama:

Bei Twilight Princess koordinierte ich das Design der Gegner, hatte mit einer solchen Leitungsfunktion also schon Erfahrung. Allerdings gibt es bei einer Serie wie Zelda ein stilistisches Gesamtbild, an dem man sich orientieren kann. Bei einer neuen Software wie Wii Fit besteht die Verantwortung hauptsächlich darin, die einzelnen Bestandteile, die von den jeweiligen Designern kommen, zu einem stimmigen Ganzen zu vereinen.

Iwata Asks
Iwata:

Shibata-san, Sie haben das Nintendo Game Seminar7 absolviert, nicht wahr? Als Sie direkt danach zu Nintendo kamen, haben Sie sich bestimmt auf Ihr erstes Spiel gefreut... Wie fanden Sie es, dann zu hören: „Machen Sie ein Spiel, in dem sich der Spieler täglich wiegt“? 7 Von Nintendo angebotenes Seminar für Studenten, in dem sie praktische Erfahrungen in der Entwicklung von Videospielen sammeln können.

Shibata:

Eigentlich wollte ich an einem Zelda-Titel arbeiten! (lacht) Aber schon auf dem Game Seminar hatte ich gehört, dass es wichtig ist, so viele verschiedene Arten von Spielen wie möglich zu entwickeln, um die Anzahl der Spieler zu erhöhen, und dass verstärkt Spiele entwickelt werden sollten, die Frauen ansprechen...

Iwata:

Immerhin sind mehr als die Hälfte der DS- und der Wii-Spieler weiblich!88 Diese Tatsache wurde auf der Konferenz zu Nintendos Firmenstrategie am 26. Oktober 2007 bekanntgegeben.

Shibata:

Deshalb betrachtete ich mich bei Wii Fit als Repräsentantin für die weiblichen Spieler. Das gefiel mir. Außerdem war ich die erste Frau im Team und wurde daher von den anderen Mitgliedern in vielen Fragen um die weibliche Sicht der Dinge gebeten.

Iwata Asks
Iwata:

Es war sicher eine große Verantwortung, als Stellvertreterin für sämtliche weiblichen Kunden zu sprechen, oder? (lacht)

Shibata:

Ja – besonders, da dies mein erstes Projekt war! (lacht) Gleichzeitig suchten wir bei Wii Fit aber alle nach dem richtigen Weg, und deshalb hatte ich auch als Neuling das Gefühl, einen sinnvollen Beitrag leisten zu können.

Iwata:

Als die Entwicklung von Wii Sports und Wii Play letztes Jahr ihren Höhepunkt erreichte, wurden Sie dort zur Unterstützung eingeteilt und mussten das Wii Fit-Team zeitweise verlassen, richtig?

Shibata:

Diese beiden Software-Titel sollten zeitgleich mit der Wii-Konsole selbst auf dem Markt erscheinen. Ich musste also sorgfältig darüber nachdenken, wie es für die Kunden sein würde, zum ersten Mal mit Wii in Berührung zu kommen, während ich mithalf, den Spielen den letzten Schliff zu geben. Das war eine sehr wertvolle Erfahrung für mich.

Iwata:

Soweit ich weiß, ist es bei der Entertainment Analysis & Development Division Tradition, dass Mitglieder von Teams mit freien Kapazitäten dort aushelfen, wo es gerade richtig zur Sache geht. Hosaka-san, wann sind Sie zu diesem Team gestoßen?

Hosaka:

Ich kam nach Abschluss der Arbeiten an Wii Play dazu. Zu dieser Zeit existierten schon ein paar Spiele-Prototypen, die mit Schwerpunktverlagerung gesteuert wurden. Als ich mit denen herumspielte, hatte ich das Gefühl, dass das Projekt mir Spaß machen würde. Im Rahmen von Wii Play hatten wir sehr viel mit verschiedenen Einsatzmöglichkeiten der Wii-Fernbedienung experimentiert. Ich rechnete damit, bei Wii Fit in dieser Richtung weiterzuarbeiten.

Iwata Asks
Iwata:

Und dann steuerte man das Spiel so gut wie gar nicht mit der Wii-Fernbedienung, sondern auf einem waagenartigen Controller stehend durch Verlagerung des Schwerpunktes...

Hosaka:

Ich dachte mir, das könne doch auch ganz interessant werden. Außerdem rechnete auch ich damit, häufig nach meiner Meinung als Frau gefragt zu werden. Das war mir recht, solange sie mich nicht zu einem dieser „Vorher-Nachher“-Modelle machten, wie man sie aus der Reklame für Diätprodukte kennt! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Bei Wii Fit geht es ja auch nicht so sehr um Diät, sondern eher um körperliche Fitness. (lacht)

Hosaka:

Stimmt. Als mir das klar wurde, war ich sehr beruhigt. (lacht)

Iwata:

Sie sind doch Planner. Also haben Sie vermutlich sofort Ihre Ideen eingebracht und Prototypen von Spielen erstellt, als Sie zum Team stießen?

Hosaka:

Ja. Als ich ins Team kam, waren die Balancespiel-Prototypen noch nicht voll funktionstüchtig. Wir haben also zunächst weitere Ideen gesammelt und Prototypen aus ihnen gemacht. Zwischendurch zogen wir uns sogar Miyamoto-sans Zorn zu, weil ihm unsere Ideen nicht reichten.

Iwata:

Manchmal kann Miyamoto-san schon erschreckend sein, nicht?

Hosaka:

Ja. (lacht) Wir gerieten richtig in Panik und brachten in der Hoffnung, dass irgendwas Verwertbares dabei ist, eine Idee nach der anderen auf den Tisch.

Iwata:

Wenn es um das Planning geht, kennt Miyamoto-san keine Gnade! (lacht)