3. Änderungen in der Form

Iwata:

Nagareda-san, Sie haben bis jetzt nur zugehört. Was war Ihr Eindruck von dem Prototyp, den Sawano-san und sein Team Ihnen brachten?

Nagareda:

Ich dachte: „Da ist mir ja ein unglaubliches Gerät ins Haus gekommen!“ (lacht) Auf den ersten Blick handelte es sich nur um ein dickes quadratisches Holzbrett mit vier Standfüßen. Für die drahtlose Datenübertragung verwendete es zwei Wii-Fernbedienungen. Davon ausgehend trieben wir die Entwicklung voran, und das Ergebnis sehen Sie hier.

Iwata Asks
Nagareda:

Dieses Wii Balance Board ist 32 Zentimeter breit. Um darauf stehend verschiedene Bewegungen durchzuführen, ist es recht schmal. Außerdem wird eine Wii-Fernbedienung angeschlossen, so wie sonst ein Nunchuk, und die mussten wir auch irgendwo unterbringen. Darum stellten wir zwei weitere Prototypen her.

Iwata Asks
Nagareda:

Die Version mit der angeschlossenen Wii-Fernbedienung hatte den Vorteil geringer Kosten. Um das Wii Balance Board unabhängig zu machen, muss man schließlich nicht nur einen POWER-Knopf und eine LED anbringen, sondern auch eine Vorrichtung für die drahtlose Datenübertragung. Außerdem enthält die Wii-Fernbedienung einen Lautsprecher, und es war eine faszinierende Option, sie vom Boden aus sprechen zu lassen. Deshalb trieben wir die Entwicklung für eine Weile in dieser Form voran. Allerdings wussten wir nicht, wo wir die Wii-Fernbedienung unterbringen sollten. Jemand konnte versehentlich auf sie treten, und wir konnten auch das Kabel nicht so lang machen, dass man die Wii-Fernbedienung problemlos in der Hand hätte halten können.

Iwata:

Haben Sie nicht daran gedacht, die Wii-Fernbedienung auf der Unterseite des Wii Balance Boards einzuklemmen?

Nagareda:

Natürlich haben wir daran gedacht, aber dadurch wäre die Konstruktion erstens dicker geworden, und zweitens hätte der Nutzer die Wii-Fernbedienung nicht mehr direkt verwenden können. Außerdem mussten wir den Aufbau so einfach wie möglich halten, um der Konstruktion die notwendige Stabilität zu verleihen. Bei dieser Variante wäre der Querbalken asymmetrisch geworden, und das hätte ungünstige Auswirkungen auf die Stabilität gehabt. Also haben wir wieder im Trial-and-Error-Verfahren verschiedene Prototypen hergestellt, und als uns Miyamoto-san eines Tages sagte, dass er das Wii Balance Board schulterbreit machen wollte, um dem Nutzer mehr Bewegungsfreiheit zu ermöglichen, haben wir die Breite auf 42 Zentimeter erhöht. Das sah dann so aus.

Iwata Asks
Iwata:

Man hört, die Anforderungen hätten sich ständig verändert...?

Nagareda:

Stimmt. Das ist dann wohl die Sache mit dem umgeworfenen Kaffeetischchen, von der man so oft hört. (lacht)

Alle:

(lachen)

Nagareda:

Wir sind Miyamoto-sans Wünschen natürlich nachgekommen, auch wenn wir dachten, dass es für die Hardware-Entwicklung besonders schwierig ist, wenn das Kaffeetischchen umgeworfen wird.

Iwata:

Änderungen in letzter Minute wie diese haben bei der Hardware-Entwicklung wirklich ihren Preis, nicht wahr? Außerdem ist Miyamoto-san von Hause aus Industrial Designer, dementsprechend sind seine Anforderungen an das Design besonders hoch, und es ist extrem schwierig, ihnen gerecht zu werden, oder?

Nagareda:

Tatsächlich haben wir sogar einen Prototyp für ein noch breiteres Wii Balance Board konstruiert. Aber dann fanden wir es zu groß, um es in einem Wohnzimmer aufzustellen. Miyamoto-san hatte uns erklärt, dass ein rechteckiges Wii Balance Board einen besseren Eindruck machen würde als ein quadratisches. Daraufhin haben wir das Wii Balance Board zunächst schulterbreit gestaltet und es anschließend der Länge eines Fußes angepasst. So kamen wir zu der aktuellen Form des Wii Balance Boards. Ursprünglich waren von der Entertainment Analysis & Development Division zwei Anforderungen gekommen. Erstens sollte das Wii Balance Board alltägliche Gewichtsänderungen messen können. Wenn ich zum Beispiel ein Glas Saft trinke und mein Gewicht dadurch um 200 Gramm zunimmt, dann sollte es präzise genug sein, um diesen Unterschied anzuzeigen. Zweitens sollte es Schwerpunktverlagerungen erfassen können. Wie Sawano-san eben schon erklärt hat, mussten wir es dafür in die Lage versetzen, 60 Signale pro Sekunde zu verschicken.

Iwata:

Außerdem legt Nintendo seine Hardware so aus, dass sie nicht gleich kaputt geht, wenn ein Nutzer aus Versehen darauf tritt. Heimkonsolen und tragbare Geräte werden entsprechend getestet. Aber dass eine Hardware ständig mit Füßen getreten wird, musste noch bei keinem anderen Projekt berücksichtigt werden. (lacht)

Alle:

(lachen)

Nagareda:

Das stimmt natürlich auch. Aber wir mussten noch andere Umstände berücksichtigen. Zum Beispiel mussten wir die Verletzungsgefahr minimieren für den Fall, dass ein Nutzer vom Wii Balance Board stürzt, und es sollte auch nicht kippen, wenn man auf seinen Rand tritt. Wir haben das Wii Balance Board also so flach wie möglich gestaltet. Dafür mussten wir wiederum den Rahmen so klein wie möglich halten, wobei er aber nicht instabil werden durfte. Wir haben dafür gesorgt, dass das Wii Balance Board nicht so leicht umkippt, auch wenn ein Nutzer absichtlich auf den Rand steigt, indem wir die Standfüße ganz außen in den Ecken angebracht haben. Da die Hardware mit 3,5 kg ziemlich schwer ist, haben wir außerdem für die Ecken eine Art Gummi verwendet, das Stürze des Wii Balance Boards abpuffern kann.

Iwata Asks
Nagareda:

Die Oberseite haben wir ein wenig uneben gestaltet. Dadurch kann der Nutzer erkennen, wo er stehen soll, und er rutscht nicht so leicht aus. Außerdem haben wir daran gedacht, dass das Wii Balance Board vermutlich auf verschiedenen Fußbodenbelägen verwendet wird, und haben die Standfüße mit Gummi versehen um auch hier die Rutschfestigkeit zu erhöhen. Dabei haben wir darauf geachtet, dass das Gummi nicht weich wird, wenn es zum Beispiel der Wärme einer Fußbodenheizung ausgesetzt ist, und dass es auch dann keine hässlichen Abriebspuren hinterlässt, wenn das Wii Balance Board über den Boden gezogen wird.

Iwata:

Und während Sie derart detaillierte Prüfungen durchführten, kamen ständig Änderungswünsche, zum Beispiel der Auftrag, das Wii Balance Board zu verbreitern, und ganz zum Schluss wurde noch einmal auf spektakuläre Weise das Kaffeetischchen umgeworfen... (lacht)

Nagareda:

Damit meinen Sie bestimmt Ihre eigene Forderung, für das Wii Balance Board die drahtlose Datenübertragung zu realisieren, nicht wahr, Iwata-san? Das war wirklich eine ziemliche Herausforderung! (lacht) Die Datenübertragung der Wii-Fernbedienung läuft nicht über ein Modul11, sondern über einen Teil der Platine. Deshalb mussten wir jetzt für das Wii Balance Board ein eigenes Modul entwerfen. 11 Eigenständiges Bauteil, das aus der Gesamtkonstruktion herausgelöst werden kann.

Iwata:

Tut mir wirklich leid, dass ich Ihnen ganz zum Schluss noch so viel Arbeit beschert habe.

Alle:

(lachen)

Iwata Asks
Iwata:

Das war wohl eine ziemliche Anstrengung... Ich erinnere mich an verschiedene Diskussionen darüber, dass wir das Produkt nicht mehr im laufenden Jahr würden veröffentlichen können, wenn wir die Struktur so extrem veränderten...

Nagareda:

Tatsächlich galt unsere größte Sorge dem engen Terminplan. Da es sich um eine von der Wii-Fernbedienung getrennte Hardware handelt, war zunächst einmal eine offizielle Zertifizierung auf Grundlage des Rundfunkgesetzes notwendig. Dann konnte auch noch der Metallrahmen, der ja für die Stabilität der Konstruktion notwendig war, Probleme bei der Übertragung der Funkwellen verursachen, je nachdem, wo wir das Übertragungsmodul einbauen würden. Auch das musste getestet werden. Und da dies schon das zweite Gerät war, das mit der Wii-Konsole kommunizierte, mussten wir uns auch noch um die Frage kümmern, wie es von der Wii-Fernbedienung unterschieden werden sollte.

Iwata:

Bestimmt gab es auch Zeiten, da wollten Sie schreien: „Das ist doch unmenschlich!”

Nagareda:

Das ist... Nun ja... Ja, stimmt wohl. (lächelt gequält) Andererseits war die Konstruktion eines eigenen Moduls für die drahtlose Datenübertragung eine tolle Idee. Ich sage das nicht, weil Sie jetzt hier sind, Iwata-san. Es könnte ja sein, dass irgendwann noch eine andere Hardware ohne Verbindung zur Wii-Fernbedienung auskommen soll. Dann können wir ohne weitere Modifikationen auf das Modul zurückgreifen, das wir in diesem Projekt entworfen haben, und die Entwicklungsphase könnte sich wesentlich entspannter gestalten.