2. Kreise, Achtecke und Topfdeckel

Iwata:

Miyamoto-san hat mir nur erzählt, dass Sie zwei Waagen nebeneinander gestellt haben, und dass daraus die Idee entstanden ist, die Balance zu messen - die Anekdote mit dem Sumo-Ringer überrascht mich! Und dann haben Sie angefangen, die Messung der Balance zu untersuchen?

Sawano:

Genau. Wir erfuhren dann, dass handelsübliche Waagen Daten sehr langsam erheben. Pro Sekunde führen sie nur vier bis fünf Messungen durch.

Iwata:

Sicher, wenn man sich nur wiegen will, ist das kein Problem, aber für eine Spielekonsole ist es völlig ungeeignet. (lacht) Schließlich verarbeiten Spielekonsolen mittlerweile bis zu 60 Bilder pro Sekunde. Wenn da in einer Sekunde nur vier- bis fünfmal ein Signal gesendet wird, kommt einem die Reaktion des Eingabegeräts sehr träge vor, und man kann auch keine Spiele herstellen, deren Steuerung auf Schwerpunktverlagerung basiert.

Sawano:

Damit war klar, dass wir handelsübliche Waagen nicht für Spiele verwenden konnten. Wir baten unser Software-Team, die Hardware so zu modifizieren, dass sie 60 Signale pro Sekunde schickte. Nach etwa einer Woche kamen sie mit einem Prototyp des Basis-Balance-Tests zurück, der am Anfang des Körpertests von Wii Fit durchgeführt wird. Allen gefiel dieser Test sehr gut, und auch Miyamoto-san war beeindruckt.

Iwata Asks
Iwata:

Und an diesem Punkt entschied Miyamoto-san, dass die Balance der Kern aller Wii Fit-Spiele sein sollte?

Sawano:

Nein, das war später. An diesem Punkt dachten wir zunächst über andere Spiele nach, verloren aber den Balance-Aspekt nicht aus den Augen. Gleichzeitig baten wir unsere Kooperationspartner, eine Konstruktion mit zwei Sensoren zu entwickeln, da wir uns entschlossen hatten, mit der Hardware auch die Balance zu messen.

Iwata:

Dabei war es mit einem Sensor schon schwierig, den Kostenrahmen nicht zu sprengen! (lacht)

Sawano:

Allerdings! Der erste Prototyp mit zwei Sensoren war jedenfalls dieser... Sehen Sie selbst!

Iwata Asks
Iwata:

Soso! Der erste Prototyp war also rund...

Sawano:

Die Scheiben des Drehwertgebers drehen sich hier mehrmals, sobald ein Nutzer auf das Gerät steigt. Wenn man die Abdeckung abnimmt, sieht das Ganze so aus. Rot markiert: Die Drehwertgeber, die das Gewicht messen.

Iwata Asks
Iwata:

Hier wird also die Absenkung der Waage in eine Drehbewegung umgewandelt, und die Anzahl der Umdrehungen wird mit einem optischen Sensor gemessen. Außerdem wird pro Sekunde 60-mal ein Signal verschickt, korrekt?

Sawano:

Genau! Das Prinzip ist das gleiche wie beim Controller des N64. Aber als wir diesen Prototyp hergestellt hatten, merkten wir, dass es einfach nicht ausreicht, nur die Balance zwischen rechts und links zu ermitteln, um die Konstruktion interessant zu machen. Also machte ich dem Software-Team den Vorschlag, die Balance nicht nur rechts und links zu messen, sondern rechts, links, vorne und hinten. Damit waren meiner Meinung nach interessantere Spiele möglich. Ich bekam allerdings die Antwort, dass wir weitere Messpunkte vorne und hinten nicht brauchen würden. Dabei war ich mir völlig sicher, dass wir mit vier Messpunkten für die Balance einen Controller würden erschaffen können, der mit den Füßen bedient wird, und dass so ein Gerät spannende Spiele ermöglichen würde. Also beschlossen wir, die Meinung des Software-Teams zunächst als eine Meinung unter mehreren anzuhören und dennoch Untersuchungen zu einer waagenähnlichen Hardware mit vier Messpunkten voranzutreiben. Natürlich mussten wir das Gerät immer noch möglichst günstig produzieren. Der Prototyp, den uns Yamazaki-san nach langen Debatten konstruiert hat, ist dieser hier.

Iwata Asks
Iwata:

Ach, jetzt ein Achteck? (lacht)

Sawano:

Nein, nein... Wir waren bei der Herstellung des Prototyps nur ziemlich in Eile, deshalb haben wir darauf verzichtet, ihn rund zu schleifen! (lacht)Hier wird die Wii-Fernbedienung in der Mitte der Waage platziert, und die Balance wird mit dem Beschleunigungssensor9 gemessen, der in die Wii-Fernbedienung integriert ist. Dadurch reicht dann ein einzelner Sensor zur Messung des Gewichtes aus. 9 Beschleunigungssensoren werden unter anderem auch in Airbags verwendet. Sie ermitteln die Beschleunigung eines bestimmten Objektes.

Iwata:

Verstehe... Von der Wii-Fernbedienung wird die Balance des Nutzers ermittelt, und so können die Kosten gering gehalten werden.

Sawano:

Um die Balance zu ermitteln, haben wir verschiedene Designs diskutiert. Einer der Prototypen, die Yamazaki-san entwickelt hat, ist dieser hier!

Iwata Asks
Iwata:

Das ist doch der Deckel für einen Kochtopf!

Alle:

(lachen laut)

Iwata Asks
Iwata:

Obwohl das Software-Team gesagt hatte, vier Messpunkte wären nicht erforderlich, wollten Sie diese Idee unbedingt verwirklichen... und deshalb haben Sie sogar einen Prototyp wie diesen hier aus einem einfachen Topfdeckel hergestellt! (lacht)

Sawano:

Wir haben dann Tests mit der Topfdeckel-Version des Wii Balance Boards durchgeführt, dabei aber herausgefunden, dass sich mit diesem Ansatz keine ausreichend präzisen Messungen durchführen lassen. Abgesehen davon wird das Wii Balance Board auch höher, und dadurch wird das Aufsteigen zur Gefahr. Während wir also im Trial-and-Error-Verfahren das Design vorantrieben, dachte ich schon an die Zeit nach der Veröffentlichung und stattete der Nintendo-Konsumentenberatung einen Besuch ab, um zu erfahren, wie dort gearbeitet wird. Schließlich stellten wir zum ersten Mal eine Hardware her, die die Kunden mit ihrem ganzen Gewicht belasten würden, und ich dachte mir, es wäre besser, wenn wir vorab schon wüssten, wie eventuelle Reparaturen gehandhabt würden. Das war zu der Zeit, als sich der Nintendo DS in enormen Mengen verkaufte, und wenn auch der Anteil an Reparaturen im Verhältnis zu den insgesamt verkauften Einheiten extrem gering war, kam trotzdem eine ziemlich große Anzahl an Geräten in die Werkstatt. Wenn wir einen sehr komplexen Aufbau konstruierten, konnte dies schließlich zu einer erhöhten Anzahl an Produktionsfehlern und Pannen führen. Ich wollte unnötigen Ärger mit der Hardware für die Kunden vermeiden und kam zu dem Schluss, dass wir den Aufbau so simpel wie möglich halten mussten.

Iwata Asks
Iwata:

Sie waren also der Meinung, dass eine erhöhte Reparaturanfälligkeit für die Kunden ein Minus darstellen würde, auch wenn man die Kosten dadurch noch so gering halten konnte.

Sawano:

Die Methode, die uns nun in den Sinn kam, war der direkte Einbau eines Dehnungsmessers10 in den Fuß des Wii Balance Boards. 10 Sensor, der die Dehnung eines Metalldrahts über dessen Widerstand misst.

Iwata:

Sie meinten also, wenn man einen Sensor, der ursprünglich im Inneren untergebracht war, an der Außenseite anbringt, wird dadurch der Aufbau des Wii Balance Boards einfacher.

Iwata Asks
Sawano:

Wir konstruierten verschiedene Prototypen. Wenn wir Druck ausübten, dehnte sich der Metalldraht, aber für das Auge ist das kaum sichtbar.

Sawano:

Bei einem Dehnungsmesser ist die Dehnung so gering, dass wir hier sozusagen kein bewegliches Teil haben, deshalb ist die Reparaturanfälligkeit sehr gering. Es handelt sich zwar um ein relativ teures Teil, aber wir kamen dennoch zu dem Schluss, dass wir dieses Prinzip anwenden mussten. Aber selbst bei nur zwei Sensoren braucht das Wii Balance Board mindestens drei Standfüße. Mit drei Sensoren kann man theoretisch die Balance zwischen vorne, hinten, rechts und links messen, aber auf einer solchen Konstruktion steht man zu instabil. Deshalb mussten wir vier Sensoren verwenden. Mit vier Sensoren konnten wir die Balance zwischen vorne, hinten, rechts und links perfekt messen und hatten eine Waage mit hoher Präzision. Jetzt erkannte auch das Software-Team, das am Anfang gegen mehr als zwei Sensoren war, dass diese Konstruktion nur Vorteile hatte, und so erreichten wir die Urform des Wii Balance Boards.

Iwata Asks
Iwata:

Und wie lange mussten Sie arbeiten, um an diesen Punkt zu kommen?

Sawano:

Das hat uns ungefähr ein halbes Jahr gekostet. Zu dieser Zeit war Miyamoto-san der Einzige, der eine Vision vom fertigen Produkt hatte, aber wir machten die Arbeit, die er uns anvertraut hatte, so gut wir konnten.

Iwata:

Und nachdem Sie einen Prototyp hergestellt hatten, war es jetzt an der Zeit, die Staffel an das Team der Hardware-Spezialisten weiterzureichen, korrekt?

Sawano:

Genau. Yamazaki-san und ich brachten den Prototyp zur Integrated Research & Development Division, zu der auch Nagareda-san gehört.