2. „Vergesst uns nicht!“

Iwata:

Okay, Mr. Shikata hatte also die Idee mit dem Hineinklettern in Wände, war sich aber nicht sicher, inwiefern das sinnvoll eingesetzt werden könnte. Was geschah dann?

Mouri:

Der andere Programmierer ist normalerweise ein ausnehmend ruhiger und friedfertiger Mensch, aber Mr. Shikata, der das Ganze ja vorgeschlagen hatte, war so unentschlossen, dass er richtig wütend wurde und anfing zu fauchen: „Die Idee mit den Wänden ist super, also was bitte soll denn damit nicht stimmen?!“

Iwata Asks
Iwata:

Und das von einem friedfertigen Menschen?

Mouri:

Ja. (lacht) Er hat sich dann immer weiter aufgeregt und erklärt, wir stünden an einer Weggabelung, die darüber entscheidet, ob das Projekt glattgeht oder aus der Bahn läuft, und er würde seine Meinung jedenfalls nicht ändern. Schließlich erklärte er dann: „Wir machen das jetzt, egal wie, also sagen Sie uns, was wir tun sollen!“ Mr. Shikata murmelte dann unschlüssig irgendwas davon, dass es vielleicht darum gehen sollte, auf Wänden um die Ecke zu gehen, war aber sichtlich nicht überzeugt davon. Da wurde ich dann auch langsam sauer und erklärte, dass ich einen Prototyp erstellen würde.

Shikata:

Dafür veranschlagte er dann erst einmal eine Woche.

Mouri:

Aber ich war so in Fahrt, dass ich es noch am selben Tag erledigt und ihm den Prototyp am nächsten Morgen mit den Worten „Na, was halten Sie davon?“ unter die Nase gehalten habe.

Iwata:

Wie hat Mr. Shikata reagiert?

Mouri:

(gestikuliert als halte und betrachte er einen Nintendo 3DS) Er rief: „Wow! Das ist es!“ (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Ich nehme an, Sie waren überrascht, Ihre eigene Idee so herumlaufen zu sehen?

Shikata:

Allerdings. Sobald ich das sah, war ich sicher, dass das funktionieren würde.

Iwata:

Es zahlt sich eben immer aus, ein Team zu haben, auf das man sich verlassen kann.

Shikata:

Stimmt! (lacht) Und dieser Prototyp sorgte dann für zahlreiche weitere Ideen.

Iwata:

Da war also zunächst die Idee mit den Wänden, sodass der dreidimensionale Link zweidimensional wurde und geschmeidig um Ecken gleiten konnte. Das konnte man umfassend ausschlachten – Link konnte jetzt an Orte gelangen, die ihm vorher verschlossen waren, es gab Möglichkeiten für neue Rätsel und reichlich Material für neue Mechanismen.

Shikata:

Genau.

Iwata:

Hatte dieser Prototyp damals einen direkten Blick von oben wie in „A Link to the Past“?

Shikata:

Nein. Wie bei „Spirit Tracks“ betrachtete man das Geschehen schräg von oben.

Aonuma:

Damals sahen wir es als eine Fortführung der Nintendo DS-Spiele an.

Shikata:

Ich habe den Prototyp dabei. Möchten Sie ihn einmal ausprobieren, Mr. Iwata?

Iwata:

Oh ja! (nimmt das Nintendo 3DS-System) Link sieht aus wie frisch aus „Spirit Tracks“ herausgestiegen.

Iwata Asks
Aonuma:

Ja. Damals war er noch der Cartoon-Link .

Shikata:

Und wenn man den A-Knopf drückt …

Iwata:

Oh! Er ist in die Wand gestiegen! So was habe ich noch nie gesehen!

Aonuma:

Ich habe das auch heute zum ersten Mal seit Langem wieder betrachtet und fand es wieder erstaunlich gut! (lacht)

Iwata:

(spielt schweigend) Also … Sie waren wütend und gereizt und haben das hier in einer einzigen Nacht auf die Beine gestellt?

Mouri:

Na ja, nicht das Ganze da. Damals habe ich nur den Teil mit dem Um-die-Ecken-gehen gemacht.

Aonuma:

Mit so einem Prototyp geht man normalerweise gleich zur ernsthaften Entwicklung über.

Iwata:

Allerdings.

Aonuma:

Aber es sollte nicht sein.

Iwata:

Warum nicht?

Aonuma:

Das kann Ihnen unser Regisseur erklären.

Shikata:

Na gut. Als wir das Mr. Miyamoto zeigten, sagte er: „Alles klar. Das machen wir.“ Und wir waren auch schon ganz aufgeregt. Aber noch vor Ablauf von zwei Wochen wurden wir alle in diverse Wii U-Titel eingespannt.

Iwata:

Wann war denn das?

Shikata:

So im Oktober 2010.

Iwata:

Etwa zwei Jahre vor dem Erscheinen der Wii U-Konsole.

Aonuma:

Es wurden unbedingt mehr Leute für die Wii U-Erscheinungstitel gebraucht.

Iwata:

Die „Kernbesatzung“ dieses Projekts wurde also auf andere Projekte aufgeteilt.

Shikata:

Ja – im Handumdrehen waren sie alle verschwunden. (lacht)

Aonuma:

Das Team wurde quasi aufgelöst.

Shikata:

Damals habe ich die Hoffnung eigentlich aufgegeben. Ich hatte noch nie davon gehört, dass ein Projekt gestartet, dann das Team aufgelöst und die Arbeit später wieder aufgenommen wird.

Iwata Asks
Iwata:

Sie hatten eine großartige Idee entwickelt und befürchteten jetzt, dass sie nie das Licht der Welt erblicken würde.

Shikata:

Ja, das fürchtete ich wirklich.

Aonuma:

Aber als das Team ging, hinterließen die Mitglieder ein Abschiedsgeschenk.

Iwata:

Was denn?

Aonuma:

Sie haben einen Aufkleber mit dem Entwicklungs-Codenamen auf den Nintendo 3DS mit dem Prototyp geklebt – wie Studenten, die ihrem Lieblingsprof bei der Abschlussfeier ein Geschenk machen – und überreichten ihn Mr. Miyamoto, Mr. Tezuka10 und mir.10. Takashi Tezuka: Leiter der Abteilung für Software-Entwicklung der Entertainment Analysis & Development Division. Er war an der Entwicklung zahlreicher Serien beteiligt, z. B. „Super Mario“, „Yoshi“ und „Animal Crossing“. Er hat bereits an diversen „Iwata fragt“-Sitzungen teilgenommen, u. a. dem Gespräch zu New Super Luigi U, dem Treffen der Entwickler des Originalspiels „Super Mario“ anlässlich des 25. Jahrestages von „Super Mario“, der Sitzung Die Geschichte der „The Legend of Zelda“-Spiele für Handheld-Konsolen anlässlich von „The Legend of Zelda: Spirit Tracks“, New Super Mario Bros. Wii (Teil 2) und dem Gespräch mit den Produzenten von „Super Mario 3D Land“ sowie den „Iwata fragt“-Sondersitzungen zur E3 2012, die sich mit New Super Mario Bros. U und New Super Mario Bros. 2 befassten.

Iwata:

Oh …

Aonuma:

Sie haben nichts dazu gesagt, aber es war eindeutig eine Aufforderung: „Wenn Sie das sehen, denken Sie an unser Projekt!“ (lacht)

Iwata:

„Vergesst uns nicht!“ (lacht)

Shikata:

Genau. (lacht)

Iwata:

Was für eine traurige Geschichte! (lacht)

Aonuma:

Ich habe keinen Augenblick geglaubt, dass ich das Spiel vergessen könnte, aber damals musste ich nun mal „Skyward Sword“ entwickeln.

Iwata:

Und Sie, Mr. Shikata und Mr. Mouri?

Shikata:

Ich bin zu „Nintendo Land“11 gewechselt und Mr. Mouri hat „New Super Mario Bros. U“12 entwickelt. Bei „Nintendo Land“ habe ich übrigens an „The Legend of Zelda: Herausforderung zum Kampf“13 gearbeitet.11. Nintendo Land: Ein Spiel, in dem es um einen interaktiven Freizeitpark geht; es wurde gleichzeitig mit der Wii U-Konsole im November 2012 veröffentlicht.12. New Super Mario Bros. U: Ein Action-Spiel, das gleichzeitig mit der Wii U-Konsole im November 2012 veröffentlicht wurde.13. The Legend of Zelda: Herausforderung zum Kampf: Eine von 12 Attraktionen von „Nintendo Land“, die alle auf Nintendo-Spielen basieren. Ein Spieler verwendet das Wii U GamePad wie Pfeil und Bogen, während bis zu drei andere Links ihre Wii-Fernbedienungen als Schwerter verwenden, um so gemeinsam Monster zu besiegen und Level zu meistern.

Iwata:

Ihre dauernde Mitwirkung an Zelda-Spielen seit „Ocarina of Time“ wurde also nicht unterbrochen.

Shikata:

Nein. Ich habe meine ganze Begeisterung für „The Legend of Zelda“ in Wii U gesteckt!

Alle:

(lachen)