6. Ein Audio-Director für zukünftige Spiele

Uematsu:

Ich denke, wenn sich die Spiele in Zukunft weiter in diese Richtung entwickeln, dann braucht man bald auch einen eigenen Audio-Director.

Iwata:

Sie meinen, dass jemand die Erstellung aller Audio-Inhalte leiten sollte?

Uematsu:

Richtig. Aber ich meine nicht die Person, die tatsächlich die Musik komponiert. Ich meine jemanden, dessen Aufgabe es ist, den ganzen Prozess zu überwachen, von den Hintergrundgeräuschen bis zu der Art, wie die Musik eingesetzt wird, und wie präzise alles zusammenklingt. Ich denke, das ist eine Rolle, die in Zukunft bei Videospielen wirklich nötig werden könnte.

Sakaguchi:

Ja, wenn man sich noch stärker auf das Audio-Design konzentrieren könnte, würde alles noch viel realistischer werden. Aber diese spezielle Position gibt es noch nicht. So weit sind wir mit den Spielen noch nicht.

Iwata:

Im echten Leben hängt der Eindruck, den man von einem Klang hat, sehr stark von der Resonanz ab. Es ist ja sehr schwierig, bei etwas objektiv zu sein, das man selber geschaffen hat. Wir sprechen also von einer unabhängigen Person, die die Musik oder die Umgebungsgeräusche nicht selber erstellt hat, aber verantwortlich dafür ist, insgesamt für ein perfektes Gleichgewicht zu sorgen.

Uematsu:

Ja. Das ist wirklich eine schwierige Aufgabe, wenn man selber derjenige ist, der die Audioinhalte auch erstellt hat.

Sakaguchi:

Es gibt keinen Zweifel, dass man einen ganz anderen Eindruck von einem Song hat, wenn er sich perfekt in die Umgebungs- und Hintergrundgeräusche einfügt.

Uematsu:

Es gibt doch auch keinen Film von zwei Stunden, bei dem die ganze Zeit Musik läuft. Und ich denke, dass es langsam möglich wird, die Musik in Videospielen so zu nutzen, wie es in Filmen gemacht wird.

Iwata:

Mr. Sakaguchi hat darüber gesprochen, wie Musik bisher in Rollenspielen verwendet worden ist, wo sie mehr die Funktion von Musik übernommen hat, die man beim Joggen hört. Ich finde, dass Spiele mehr Musik brauchen, die man am Stück anhören kann, ohne dass sie einem irgendwann auf die Nerven geht. Bei diesem Spiel hat sich Mr. Sakaguchi einer neuen Herausforderung gestellt und ich denke, dass er wollte, dass die Spieler diesen neuen Ansatz auch bei der Musik wahrnehmen.

Sakaguchi:

Ja, richtig. Ich möchte, dass die Spieler die Lautstärke so weit wie möglich aufdrehen! (lacht)

Iwata:

Mr. Sakaguchi, Sie haben gar nicht selber die Aufgabe übernommen, den Sound in das Spiel zu integrieren, oder? Wahrscheinlich haben Sie das die verantwortlichen Audiodesigner machen lassen und dann einfach nur die Teile korrigiert, die Sie noch nicht ganz richtig fanden.

Sakaguchi:

Die Mitglieder des Entwicklerteams, die für den Sound verantwortlich waren, haben auch 80% bis 90% der Integration übernommen.

Iwata:

Mr. Uematsu, haben Sie das Gefühl, dass die verwendete Musik sich natürlich ins Spiel einfügt?

Uematsu:

Ich finde, sie wirkt sehr natürlich. Es gab eine Phase des E-Mail-Austauschs zwischen Mr. Sakaguchi, mir selber und der Person, die für das Audiodesign verantwortlich war, während der wir sehr detailliert über die Musik gesprochen haben. Es gab Teile, denen ich nicht so einfach folgen konnte, aber ich war am Ende sehr zufrieden damit, wie alles geworden ist. Wenn man selbständig an der Musik arbeitet und nicht im Kontakt mit dem Entwicklerteam ist, kann es nämlich auch schon mal schief laufen und am Ende bleibt dann alles an einem selber hängen.

Iwata Asks
Iwata:

Das ist ja immer eine Schwierigkeit, wenn man an etwas arbeitet und nicht voll in den Hauptentwicklungsprozess integriert ist.

Uematsu:

Ja ... das kann sogar sehr unangenehm werden! (lacht)

Sakaguchi:

Tja, das lässt sich eben nicht verhindern! Die Musik ist Ihr Baby und Sie müssen sich halt um sie kümmern! (lacht)

Uematsu:

Nein, ich will mich gar nicht beschweren! (lacht) Ich meine nur, wenn man gemeinsam in einem Büro arbeitet, kann man sich einfach direkt treffen und alles miteinander besprechen, nicht wahr?

Iwata:

Es stimmt, dass man alles einfach besprechen und sich auf etwas einigen kann, wenn man sich immer wieder trifft, aber wenn man unabhängig voneinander arbeitet, muss man sich ständig die Mühe machen, zu allen möglichen Sachen E-Mails zu schreiben.

Uematsu:

Es gibt aber auch viele Sachen, die man nicht so einfach in Worte fassen kann.

Sakaguchi:

Vielleicht trifft das auch insgesamt auf die Videospielentwicklung zu: Früher konnte man ziemlich einfach auf den Punkt bringen, was man für ein Spiel haben möchte. Aber jetzt sind so viele Leute beteiligt und der Maßstab des ganzen Prozesses ist so groß geworden, dass es Elemente des Spiels gibt, die man wirklich aufschreiben und in Design-Dokumenten festhalten muss, damit alle sie nachvollziehen und verstehen können.

Iwata:

Wenn man ein neues Projekt anfängt, wäre es ideal, mit einem Team anzufangen, das so klein ist, dass man noch keine Design-Dokumente benötigt. So kann man alles persönlich besprechen und mit den Ideen experimentieren, auf die man gekommen ist. Man kann sie direkt in den Programmcode übernehmen und ausprobieren. So wird die Grundrichtung deutlicher, in die das Spiel gehen soll. Ich finde, das ist ein sehr wichtiger Vorgang. Wenn man als ersten Schritt bei einem neuen Projekt erstmal Design-Dokumente entwerfen muss, kann sich diese Phase ganz schön in die Länge ziehen.

Sakaguchi:

Ja, das kann schon anstrengend werden. Es ist wirklich schwierig, alles in Worte zu fassen und in einem Dokument festzuhalten.

Uematsu:

Man fragt sich, warum den Leuten nicht einfach klar ist, was man erreichen will. Das ist wirklich frustrierend! (lacht)

Sakaguchi:

In solchen Momenten will man einfach sagen: "Hört mal, ihr müsst einfach herkommen, damit wir persönlich sprechen können!" (lacht)

Iwata:

Sie haben sich also über E-Mails mit den Mitgliedern des Entwicklerteams ausgetauscht, die für das Audiodesign zuständig waren, um sicherzugehen, dass Ihre Musik natürlich in das Spiel integriert werden konnte.

Uematsu:

Ja, und als ein paar Monate vergangen waren, bin ich persönlich vorbeigegangen, um mir einen eigenen Eindruck zu verschaffen. Das war dann eine ziemliche Überraschung. Ich erinnere mich noch, dass ich gedacht habe: "Was ist denn mit dem Song passiert?" (lacht) Der war auf eine Art verwendet worden, die all meine Erwartungen übertroffen hat.

Sakaguchi:

Was halten Sie davon, dass Ihre Songs in einzelne Abschnitte aufgeteilt worden sind?

Uematsu:

Oh, damit habe ich überhaupt kein Problem, weil das im Spiel wirklich gut funktioniert. Ich habe vor allem den Eindruck, dass die Art, wie die Kampfmusik jetzt im Spiel verwendet wird, viel besser ist, als das Stück einfach fünf Minuten laufen zu lassen.

Iwata:

Sie freuen sich also, dass die Musik, die Sie komponiert haben, jetzt noch um eine zusätzliche Dimension erweitert worden ist. Wenn die Spieler sagen, wie toll sie die Musik finden, dann ist das ein Ergebnis der gemeinsamen Bemühungen von Mr. Uematsu, der sie geschrieben hat, und von den Personen, die sie in das Spiel integriert haben.

Uematsu:

Das stimmt. Obwohl natürlich alle gerne denken dürfen, dass alles nur mir zu verdanken ist ... (lacht)

Alle:

(lachen)

Sakaguchi:

Das war das erste Mal, dass Mr. Uematsus Musik in diesem Maße aufgeteilt worden ist.

Uematsu:

(lacht)

Iwata:

Die Musik wird also normalerweise weniger auseinander geschnitten?

Sakaguchi:

Ich würde sagen, dass es im Normalfall höchstens 20% der Musik sind, die so unterteilt werden.

Uematsu:

Also, die Stücke bestehen ja aus verschiedenen Elementen, so dass die Melodien auch funktionieren, wenn sie in einzelne Abschnitte aufgeteilt werden. Ich schätze mich sehr glücklich, dass die Musik von jemandem geschnitten wurde, der offensichtlich zu schätzen wusste, wie sie aufgebaut war.

Sakaguchi:

Es tut mir leid, dass ich dieses Interview nutze, um bei verschiedenen persönlichen Dingen nachzuhaken ... (lacht) Aber ich wollte gerne fragen, was Sie von unserer Version des Songs halten, bei der wir das Intro weggelassen haben. Sind Sie damit einverstanden?

Uematsu:

Oh, natürlich, kein Problem.

Iwata:

Ich bin mir sicher, dass es Teile der Musik gibt, bei denen es Mr. Uematsu überhaupt nichts ausmacht, wenn sie verändert werden, und andere, die er unberührt lassen will.

Sakaguchi:

Ja, das stimmt wohl. Ich hatte das Gefühl, dass ich beim Intro zu diesem Song auf dünnem Eis war, deshalb wollte ich jetzt schnell auf Nummer Sicher gehen ... Sind Sie wirklich ganz sicher, dass es so in Ordnung ist?

Uematsu:

Das ist völlig okay, wenn ich es Ihnen doch sage! Wenn ich ein Problem damit hätte, würde ich Sie es schon wissen lassen! (lacht)

Iwata:

Das heutige Gespräch hat mir wirklich gezeigt, wie besonders es ist, dass zwei kreative Leute ihre Verbindung über 25 Jahre aufrechterhalten können, und dass Sie dabei immer noch Freude an Ihrer Arbeit haben und sich neuen Herausforderungen stellen.

Sakaguchi:

Ja, das sehen Sie richtig.

Iwata:

Kann ich Sie beide wohl noch darum bitten, den Lesern, die sich schon auf "The Last Story" freuen, noch etwas über die Musik mitzugeben? Machen Sie den Anfang, Mr. Uematsu?

Uematsu:

Bei der Arbeit an diesem Spiel hatte ich das Gefühl, dass ich den Enthusiasmus zurückbekommen habe, den ich am Anfang meiner Karriere hatte. Ich weiß nicht, wie die Reaktionen sein werden, aber gerade kann ich auf jeden Fall mit Überzeugung sagen, dass wir etwas sehr Interessantes erreicht haben.

Iwata Asks
Iwata:

Sie mussten sich nach langer Zeit wieder etwas völlig Neues ausdenken, und weil Sie diese Herausforderung bis zum Schluss angenommen haben, konnten Sie Musik komponieren, bei der Sie ein sehr gutes Gefühl haben.

Uematsu:

Ja, das ist richtig. Was sagen Sie, Mr. Sakaguchi?

Sakaguchi:

Also, lassen Sie mich mal überlegen ... Ich persönlich bin großer Fan des Rhythmus, den Mr. Uematsu verwendet, der an das japanische Taiko-Trommeln erinnert. Ich freue mich sehr, dass solche Rhythmen in diesem Spiel so häufig zum Einsatz kommen. Es gibt aber auch Songs, die die menschliche Stimme auf ungewöhnliche Art nutzen. Wie ich vorher schon erwähnt habe, hoffe ich wirklich, dass die Spieler die Musik und die Rhythmen möglichst schön laut genießen. Ich bin sicher, dass Musikfans wirklich ihre Freude daran haben werden.

Iwata Asks
Iwata:

Ich gehe auf jeden Fall davon aus, dass Fans von Videospielmusik sich ganz besonders auf dieses Spiel freuen. Sie beide haben neue Herausforderungen angenommen und sind sehr zufrieden mit dem Ergebnis, so dass Sie die Spieler dazu auffordern, genau auf die Musik zu achten. Für dieses Spiel sollte man also wahrscheinlich gute Lautsprecher haben.

Iwata Asks
Sakaguchi:

Bitte denken Sie daran, die Lautstärke etwas weiter aufzudrehen als sonst! (lacht)

Iwata:

Vielen Dank Ihnen beiden.