3. Das Wichtigste ist die Resonanz

Iwata:

Was genau meinen Sie damit?

Miyamoto:

Wenn man unvorsichtig wird, besteht die Gefahr, dass Spiele wie Mario, die von Kindern gespielt werden können, schnell kindisch werden. Diejenigen, die die Spiele machen, neigen dazu es so umzusetzen. Wenn man fragt, wie man Mario beschreiben könnte, schreiben Sie zum Beispiel Sätze wie „Wo ist meine Mama?”. Wenn jemand in meinem Alter, so um die Fünfzig, seinen Spiele-Charakter dermaßen kindisch beschreibt, kann irgendetwas nicht richtig sein. Zusammengefasst: Mario ist kein Spiel, dass in erster Linie nur für Kinder entwickelt wurde. Wenn ich ein Spiel mache, habe ich immer im Kopf, dass auch Menschen in ihrer zweiten Lebenshälfte dieses Spiel spielen wollen. Wir haben viele weitere Dinge so durchgesprochen. „Sollen wir Mario das Sprechen beibringen?” „Nein, Mario ist der Spieler. Er sollte nicht sprechen.” Oder so ähnlich. Aber er sagt Sachen wie „Mamma mia!", also könnte jemand Einspruch erheben und sagen „Er spricht doch, oder nicht?”! (lacht)

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Aber das ist nicht unbedingt eine schlechte Sache. Wenn wir also darüber sprechen, ob ein Spiel kindisch oder weniger kindisch sein sollte, Mario sprechen können soll oder nicht…

Iwata:

Sind diese Dinge gar nicht so wichtig.

Miyamoto:

Genau. Ich erinnere mich, wie ich das auch zu Mr. Koizumi gesagt habe. Das einzige was wirklich zählt, ist, wie man selbst das Spiel beim Spielen empfindet. Wenn Sie zum Beispiel einen sehr teuren Hollywood-Streifen anschauen, können Sie von den Effekten absolut begeistert sein und trotzdem trifft der Film nicht ihren Nerv.

Iwata:

Weil er mir nicht gefällt.

Miyamoto:

Richtig. Es ist nicht ihr Ding, also finden Sie ihn nicht gut. Für „Super Mario Galaxy 2" haben wir also eine gewisse Menge an Filmen und Handlung eingeplant, erschufen aber viele neue Feinde. Das sollte dazu führen, dass das Spiel grundsätzlich für sich selbst steht. Hätten wir das nicht eingebaut, könnte der Spieler denken „Warum ist dieser Gegner jetzt hier?” und sie wären schnell genervt.

Iwata:

Das Spiel würde ihnen nicht mehr gefallen.

Miyamoto:

Ich kam zu dem Schluss, dass meine Art Spiele zu machen darin besteht, anderen Freude zu bereiten. Ich wollte nicht zwingend Handlungen installieren oder es lassen. Heute denke ich, es ist doch besser, ich mache Spiele, von denen ich hoffe, Sie gefallen den Spielern.

Iwata Asks
Iwata:

Ich glaube, dass hat viel damit zu tun, warum "New Super Mario Bros." für die Wii 14 weltweit so viele Fans gefunden hat. 14„New Super Mario Bros." für die Wii: Ein Action-Spiel, welches im November 2009 für die Wii heraus kam.

Miyamoto:

Ich glaube, wir haben den Leuten etwas gegeben, zu dem sie eine Verbindung haben.

Iwata:

Es gefällt ihnen.

Miyamoto:

Das glaube ich zumindest! Wenn Ihnen Feinde sympathisch sind, beschäftigen Sie sich gern mit ihnen. Sie bemerken, dass bestimmte Gegenspieler nicht angsteinflößend sind. Im nächsten Moment steht genau der gleiche vor Ihnen, nur hat er eine andere Farbe und spuckt anstelle von einem, zwei Steine aus. Sie werden denken, dass dieser gefährlicher ist und stellen Ihre Vermutung auf die Probe. Dieser Zusammenhang macht es spannend. Je mehr davon enthalten ist, desto mehr nimmt Sie dass Spiel gefangen. Und ich glaube, es führt dazu, dass man seinen Platz in dem allen findet.

Iwata:

Aha, ich verstehe. Das Konzept dieser Resonanz erklärt wirklich so einiges.

Miyamoto:

Sie können das ganz gut mit interessanten und weniger spannenden Fernsehsendungen vergleichen. Es geht weniger darum, ob die Geschichte in der man sich befindet interessant ist, sondern mehr darum, ob die Figuren realistisch sind.

Iwata:

Welche Art von Charakteren in welchen Situationen auftauchen.

Miyamoto:

Genau so ist es, wenn ein Fernsehfilm zu einem Genre gehört, welches Ihnen eigentlich nicht gefällt. Wenn die Personen Sie an jemanden in Ihrem Umfeld erinnern, kann der Film Ihnen trotzdem gefallen und Sie in seinen Bann ziehen. Bei Videospielen ist es genauso, glaube ich.

Iwata:

Die Unterhaltung ist aber sehr tiefgründig heute. (lacht)

Miyamoto:

Zu dieser Zeit haben mich solche Dinge eben beschäftigt. (lacht) Neben der Frage, worin die Einzigartigkeit von interaktiven Spielen liegt.

Iwata:

Sie haben „Super Mario Galaxy 2" erfunden, damit es den Leuten gefällt. Wie hat das den Eindruck verändert, den es auf die anderen gemacht hat?

Iwata Asks
Miyamoto:

Ich habe es Mr. Tezuka spielen lassen und ihn nach seiner Meinung gefragt. Er sagte dann, dass sich das Tempo verbessert hat.

Iwata:

Kommt das daher, dass die überflüssigen Elemente weggelassen wurden?

Miyamoto:

Einfach gesagt, glaube ich, war der Grund, dass er die Welt des Spiels so simpel entdecken konnte.

Iwata:

Ach so. Die Spiele-Welt gefällt ihm also. Gibt es noch weitere Merkmale des Spiels, die Sie den Spielern vorstellen wollen?

Miyamoto:

Hm, wir nannten es „Super Mario Galaxy 2", also haben wir vorzugsweise Leute für die Entwicklung beschäftigt, die Spaß am Vorgänger hatten. Außerdem liegt die größte Herausforderung von 3D-Spielen ganz am Anfang, wo man noch viele Dinge lernen muss und sich durch diverse Anleitungen kämpft. Anleitungen sind toll, um sich am Anfang die Steuerungen einzuprägen. Aber für erfahrene Leute ist es die reinste Qual.

Iwata:

Die sagen dann, „Ich weiß das alles schon, also lass mich weitermachen!”

Miyamoto:

Wie wahr, wie wahr. Aber schreiben müsst ihr sie trotzdem.

Iwata:

Ein wiederkehrendes Problem.

Miyamoto:

Ja. Dagegen kämpfen wir jedes mal, wenn wir ein neues Mario-Spiel machen. Wir haben nach Leuten gesucht, die schon die Vorgängerspiele kennen und sich direkt in „Mario Galaxy 2" stürzen können. Wir fassten dann alles in einem so genannten

Video: Tipp-Kanal

Was genau meinen Sie damit?
Tipp-Kanal zusammen. Sie müssen nur hineinschauen, wenn Sie es wollen. Auf diese Weise können Sie direkt loslegen, wenn Sie es wollen. Ansonsten ist es ein sehr umfangreiches Spiel mit geschätzten 20% mehr Material im Vergleich zu seinen Vorgängern. Wenn ich es zu Hause allein spiele, kann ich mich richtig reinsteigern. Ich hau dann auf den Tisch und schreie laut!

Iwata Asks
Iwata:

Hmm. Das würde ich gerne sehen. (lacht)

Miyamoto:

(lacht) Es ist ein wirklich hartes Spiel, dem man es immer und immer wieder zeigen muss. Wenn da draußen also jemand ist, der es richtig wissen will, der findet in dem Spiel eine prima Herausforderung. Neulinge werden genauso ihren Spaß haben! Etwas vergleichbares, wie diese Mario-mäßige, geheimnisvolle Welt, findet man nirgendwo anders. Beispiel gefällig? Wenn Mario mit einem großen Sprung auf eine kleine Kugel springt, hört er nicht mehr auf, sich um diese zu drehen! (lacht)

Iwata:

Klingt witzig!

Miyamoto:

Trotzdem ist es ganz schön schwierig. Es ist nicht leicht. Genau hierin liegt der Reiz. An den Herausforderungen dieses Action-Spiels. Es gibt Plätze, die Anfänger von 3D-Action-Spielen komplett durcheinander bringen können. Um ehrlich zu sein, hatten wir damit bis zum Schluss so unsere Bauchschmerzen.

Iwata:

Sie hatten so besorgt geschaut, dass ich schon überlegt hatte, wie ich persönlich Ihr Team unterstützen könnte.

Miyamoto:

Oh ja. Bis Sie die entscheidende Idee hatten! Wir installierten einfach eine DVD mit dem Namen „Super Mario Galaxy 2 für Anfänger", auf der Anfänger viele nützliche Tipps bekommen. Diese ganzen Dinge hätten wir gar nicht komplett in die eigentliche Anleitung des Spiel einbauen können. Schließlich wollten wir die Anleitung des Spiels so kurz halten, dass Spieler die den Vorgänger, „Mario Gelaxy", schon kannten, direkt loslegen können. Auf der DVD konnten wir dann noch all die anderen Dinge nachschieben.

Iwata:

Auf der DVD findet man außerdem zusätzliches Material, was das Entwicklerteam bei einer Demonstration Ihres Könnens zeigt. Die Spieler können sich hier ein paar Kniffe abgucken, um ihre eigenen Fähigkeiten aufzupolieren.

Miyamoto:

Die zweite Wii-Fernbedienung nutzen zu können, haben wir diesmal weiter in den Vordergrund gerückt. Es ist sehr praktisch, wenn zwei Spieler Seite an Seite spielen können. Ich hoffe, Sie werden es ausprobieren!

Iwata:

Mal nebenbei gefragt: Sie haben den kompletten Text selber überprüft, oder?

Miyamoto:

Ja, das stimmt. Das war das erste Mal seit „Mario 64". Als ich mitbekam, dass es um nicht ganz 5.000 Textpassagen geht, bin ich übermütig geworden und wollte alles persönlich durchgehen. Gegen Ende der Entwicklungsphase kam dann aber mehr und mehr das Gefühl auf, dass ich wohl doch nur die wichtigsten schaffen würde. (lacht)

Iwata:

(lacht)

Miyamoto:

Ich sagte einfach so was wie „Den Rest könnt ihr jetzt machen". Letztendlich hangelte ich mich dann aber doch durch all die Zeilen, die andere Leute geschrieben habe.

Iwata:

Es ist lustig, Ihnen zuzuhören und zu sehen, wie stark Sie an der Sache tatsächlich beteiligt waren. (lacht)

Miyamoto:

Ja! Es hat richtig Spaß gemacht!

Iwata:

Spaß?

Miyamoto:

Für alle anderen war es sicher unbequemer. Sie fragten mich, „Ist das wirklich nötig?!” (lacht)

Iwata:

Ha ha ha! (lacht)

Miyamoto:

Ich glaube, dass ich nur deshalb so penibel war, weil ich wirklich wollte, dass dieses Spiel ankommt.

Iwata:

Auch bei Leuten über 50 Jahren! Zu denen gehöre schließlich ich auch seit dem letzten Jahr!

Miyamoto:

Ach so ist das! (lacht)