4. „So etwas halt“

Iwata:

Wie waren hinsichtlich der Zusammensetzung des Teams die einzelnen Aufgaben zwischen den Mitarbeitern von LEVEL-5 und Capcom verteilt?

Hino:

Grob gesagt, war LEVEL-5 für die Programmierung zuständig, während die künstlerische Leitung bei Capcom lag. Beide Unternehmen waren für Teile der Handlung und der Musik zuständig.

Iwata:

Meine Güte! Normalerweise übernimmt eigentlich immer eine Partei das Ruder. Ich finde es interessant, dass Sie gemeinsam an der Handlung und der Musik gearbeitet haben.

Takumi:

Die Musik für den „Professor Layton“-Teil und den „Ace Attorney“-Teil entstand getrennt, doch es gab auch Überschneidungen, da beide Teams die Kompositionen des anderen verwendet haben.

Hino:

Ein anderes Problem, mit dem wir fertig werden mussten, war die Tatsache, dass die Programmierer in der Zentrale von LEVEL-5 in Fukuoka saßen. Daher fanden eine ganze Reihe von Treffen in Tokio, Osaka und Fukuoka statt. Es gab durchaus auch einige Konflikte, nicht wahr, Takumi-san?

Takumi:

Stimmt.

Iwata:

Wobei sind Sie besonders heftig aneinander geraten? Gab es Aspekte, bei denen keine Seite nachgeben wollte?

Hino:

Wie Sie sich sicher vorstellen können, waren uns die Charaktere extrem wichtig. Es gab zum Beispiel einen ziemlich heftigen Konflikt bezüglich der Darstellung von Layton.

Iwata:

Als man mir ein paar Bilder aus dem Spiel zeigte, kamen sie mir bekannter vor, als ich erwartet hatte. Ich nehme jedoch nicht an, dass Sie einfach die Charaktere aus beiden Spielen genommen und nebeneinander gestellt haben, oder? Es war bestimmt enorm viel Arbeit, alles so zu gestalten, wie es jetzt aussieht.

Takumi:

Es gab definitiv ein paar schmerzhafte Momente! (lacht) Manchmal mussten Kopf oder Körper der Charaktere vergrößert, dann wieder verkleinert werden …

Iwata:

Das klingt, als hätten Sie viele Änderungen vornehmen müssen.

Hino:

Wenn ich das so sagen darf, glaube ich, dass Professor Layton an den Stil von „Ace Attorney“ angepasst wurde! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata Asks
Hino:

Layton misst in Wirklichkeit eigentlich vier oder fünf Köpfe, doch in diesem Spiel ist er deutlich größer.

Takumi:

Wenn ich mir die ursprüngliche Layton-Serie heute anschaue, habe ich tatsächlich das Gefühl, dass er irgendwie anders aussieht …

Hino:

Mir ist nicht ganz wohl dabei, das zu hören … (lacht)

Takumi:

Na ja, das kommt, weil ich seit zwei Jahren immer nur den Layton aus diesem Spiel gesehen habe! (lacht) Natürlich ist es nicht ungewöhnlich, dass die Erschaffer eines Originalcharakters bestimmte Vorstellungen haben. Es gab durchaus einige Unstimmigkeiten, zum Beispiel haben die Mitarbeiter von LEVEL-5 den Entwicklern von Capcom klar gemacht, dass sie bei Professor Layton keine Abstriche machen würden. Wir haben uns jedoch Zeit genommen und einen gemeinsamen Nenner gesucht. So kam dann der jetzige Layton zustande.

Hino:

Ich glaube, das ist die Grundlage allen kreativen Schaffens. Lassen Sie mich ein völlig anderes Beispiel anführen: Es gibt bei uns ein stillschweigendes Übereinkommen, dass Professor Layton nie die Innenseite seines Hutes zeigt. Wir passen bei animierten Szenen immer auf, das das nicht geschieht. Der Prozess, eine neue Grafik zu entwickeln, erfordert eine Menge Zeit und Rücksicht auf die Details.

Iwata:

Die Charaktere der beiden Firmen haben im Spiel eine gleichberechtigte Stellung, daher konnte kein Unternehmen irgendwelche Entscheidungen im Alleingang vornehmen. Es muss wirklich schwierig gewesen sein, wenn Sie auf Dinge gestoßen sind, bei denen keiner nachgeben wollte.

Takumi:

Ja. Es gab z. B. auch einige Schwierigkeiten bei der grafischen Umsetzung der Stadt, in der die Handlung spielt. Anfangs haben wir gesagt, dass sie ein mittelalterliches Flair haben sollte, doch es war gar nicht so einfach zu definieren, was das eigentlich beinhaltet. Ich habe mir Sorgen gemacht, wie wir die Unterschiede zwischen der Fantasieversion Londons aus den ursprünglichen Layton-Spielen und Labyrinthia, der Parallelwelt aus diesem Spiel, herausarbeiten sollten. Letztendlich haben wir meiner Meinung nach eine gute Balance geschaffen. Wir haben eine gewisse Realität beibehalten und dennoch hier und da Elemente aus der Fantasiewelt eingebaut.

Iwata:

Wenn ich mir das fertige Produkt anschaue, zieht mich die Welt sofort in ihren Bann, weil sie total natürlich wirkt.

Takumi:

Es freut mich, dass Sie das sagen. Manchmal, wenn man lange an etwas arbeitet und immer aus derselben Perspektive betrachtet, ist es unvermeidlich, dass man nicht mehr in der Lage ist, eine objektive Beurteilung abzugeben.

Iwata:

Wie ist das mit den Charakteren, die in der Stadt leben? Hatte eines der beiden Originalspiele einen stärkeren Einfluss darauf?

Takumi:

Ich glaube, letztendlich ist jeder Charakter vor dem Hintergrund einer der beiden Spielwelten entstanden. Wir hatten die Idee, dem Spiel ein neues Flair zu verleihen, doch wir dachten, wenn die Spieler das Gefühl haben, die Charaktere noch nie gesehen zu haben, würde das den Eindruck mindern, dass in diesem Spiel zwei Spielwelten zusammenfließen …

Iwata:

Das ist wirklich merkwürdig. Ich hatte nicht den Eindruck, dass das Design der Charaktere stärker an einer Spielwelt ausgerichtet war als an der anderen.

Takumi:

Na ja, wenn man die einzelnen Charaktere genau unter die Lupe nimmt, kann man schon Elemente entdecken, die andeuten, welche Spielwelt der Entwickler im Hinterkopf hatte. Andererseits finde ich aber auch, dass sie alle prima zusammenpassen.

Iwata:

Dann wurden sie also bunt zusammengewürfelt?

Hino:

Ja. Sie wurden auf positive Weise vermischt, doch sie führen auch ein getrenntes Leben. Allerdings stammt Sophie 15, die neue Heldin dieses Spiels, eindeutig aus dem Lager von „Ace Attorney“.15. Sophie: Eine junge Bewohnerin von Labyrinthia. Nachdem sie nach London gereist ist, um bei Professor Layton Hilfe zu suchen, wird sie der Hexerei beschuldigt und bittet Phoenix Wright, sie vor Gericht zu verteidigen.

Iwata:

Ich glaube, das sieht man wirklich. (lacht)

Hino:

Auch einige Charaktere, die während der Verhandlungen auftauchen, machen eine interessante Figur. Ich glaube, viele von ihnen geben dem Spieler das Gefühl, dass sie aus Elementen von „Professor Layton“ und „Ace Attorney“ zusammengeschmolzen sind.

Iwata:

Ich glaube, dieser Abwechslungsreichtum bewirkt, dass man nicht den Eindruck hat, dass das Spiel stärker auf einer der Serien basiert. Es muss aber schwierig gewesen sein, das richtige Gleichgewicht zu finden.

Iwata Asks
Takumi:

Stimmt! Allein wieder darüber zu reden erinnert mich daran, wie schwierig es war. Obwohl ich glaube, dass der künstlerische Leiter den schwierigsten Job hatte.

Alle:

(lachen)

Hino:

Die Grafik war jedoch nicht das einzige Problem. Wir mussten auch versuchen, die Systemsounds beider Spiele zu verschmelzen. Da haben wir viel experimentiert. Ich war zum Beispiel sehr überrascht, wie besessen Takumi-san von den Stimmen war.

Takumi:

Tatsächlich?

Hino:

Bei der ersten Studiositzung haben wir zwei Stunden lang nur kurze Segmente wie „Einspruch!“ oder „Moment mal!“ aufgenommen. Immer wieder. Selbst die Leute, die bei den Aufnahmen nur zugeschaut haben, wurden langsam nervös! (lacht)

Takumi:

Na ja, die Originalstimmen für Ace Attorney stammten von uns, also dem Entwicklungsteam. Wir haben jede Zeile 30 bis 40 Mal aufgenommen und dann die beste Aufnahme ausgewählt. Ich bin diesen Aufnahmen wahrscheinlich mit derselben Vorsicht begegnet. Das tut mir Leid …

Iwata:

Also haben Sie von den professionellen Sprechern dieselbe Anzahl von Aufnahmen verlangt? Das war sicher ein langwieriger Prozess … (lacht)

Hino:

Stimmt. Uns war aber immer bewusst, dass das Ergebnis bei der Verschmelzung zweier Spiele verschiedener Unternehmen genau wegen solcher Dinge viel Zeit in Anspruch nehmen würde.

Iwata:

Sie scheinen von Anfang an akzeptiert zu haben, dass die Entwicklung eines derartigen Spiels eine gigantische Herausforderung darstellen würde, einschließlich „solcher Dinge“, Hino-san! (lacht) Ich nehme an, aus Ihrer Sicht war die Arbeit an diesem Spiel ein wahrgewordener Traum, und Sie müssen gedacht haben, dass es sich gar nicht erst lohnt, anzufangen, wenn nicht etwas Neues dabei herauskäme.

Hino:

Stimmt.

Takumi:

Wo wir gerade von neuen Dingen sprechen: Es war das erste Mal, dass die Mitarbeiter bei Capcom mit neuen Herausforderungen konfrontiert wurden, wie die bisher zweidimensionalen Charaktere aus Ace Attorney dreidimensional zu gestalten oder animierte Szenen zu erstellen. Daher haben wir zunächst lange damit verbracht, herauszufinden, wie sich Phoenix in 3D darstellen lässt.

Iwata:

Wenn man sich den Charakter und seine flüssigen Bewegungen heute anschaut, kann man ihn sich gar nicht mehr rein zweidimensional vorstellen. Er ist einfach zu reizend.

Takumi:

Stimmt. Was wir dieses Mal besonders versucht haben, war der Einsatz von 3D-Parallaxen, um die Stimmung im Gerichtssaal nachzubilden und dem Spieler das Gefühl zu geben, wirklich anwesend zu sein. Obwohl ich selbst an dem Spiel mitgearbeitet habe, bewegen mich diese Szenen beim Spielen sehr. Ich finde wirklich, die Szenen im Gerichtssaal haben eine Intensität, die dem Spieler das Gefühl verleiht, selbst anwesend zu sein. Während der Arbeit an diesem Spiel habe ich zum ersten Mal festgestellt, dass dieses Spiel eng an den Nintendo 3DS gekoppelt war, und in der Hinsicht schätze ich mich sehr glücklich.

Iwata:

Sie haben also nach Beginn des Projekts noch Dinge entdeckt, die notwendig oder gar ausschlaggebend für das Spiel waren?

Takumi:

Stimmt. Ein anderer Aspekt, der mir sehr gut gefällt, ist das Stadtbild, das wir geschaffen haben. Der stereoskopische 3D-Effekt verleiht ihm ungeheure Tiefe. Stereoskopische 3D-Bilder gefallen uns sehr gut, daher haben wir ständig Änderungen vorgenommen, um die Grafik noch mehr zu optimieren. Ich hoffe wirklich, dass den Spielern die 3D-Bilder in diesem Spiel gefallen.

Iwata:

Es scheint, als hätte Ihnen die Verwendung stereoskopischer 3D-Bilder erlaubt, eine neue, lebendige Welt zu erschaffen, die total echt wirkt.

Hino:

Wissen Sie, ich glaube, in verschiedener Hinsicht haben wir etwas Episches geschaffen.

Takumi:

Auch vom Umfang her kann man das Spiel definitiv als episch bezeichnen. Der Produzent bei Capcom sagte, man könne dieses Spiel ewig spielen und wäre doch nie damit durch. Das war natürlich positiv gemeint.

Iwata:

Was glauben Sie, wie viele Spielstunden das Spiel enthält?

Takumi:

Ich habe gerade gehört, dass er bereits seit 27 Stunden spielt. Es sieht so aus, als käme man auf gut 30 Stunden, wenn man es richtig spielt.

Iwata Asks
Iwata:

Für ein Spiel dieser Gattung ist das wirklich ungewöhnlich.

Hino:

Im zweiten Teil der Handlung, an dem Punkt, wo dem Spieler das übergeordnete Ziel des Spiels klar wird, kam es mir persönlich etwas langatmig vor. Gleichzeitig konnte ich jedoch nicht mehr umkehren, weil ich schon so weit gekommen war, und habe bis zum Ende weitergespielt.

Alle:

(lachen)