4. Levelanpassungen im täglichen Zyklus

Iwata:

Lassen Sie uns nun zu "Super Mario Bros." zurückkehren. Können Sie uns etwas über den Beginn der Entwicklung schildern, das einen besonders großen Eindruck auf Sie hinterlassen hat?

Nakago:

Ich kann mich noch genau erinnern, wie zu Beginn der Entwicklung der blaue Himmel auf dem Bildschirm erschienen ist.

Iwata:

Spiele aus damaliger Zeit hatten immer einen schwarzen Hintergrund, nicht wahr?

Nakago:

Das ist richtig. Damals war nur der blaue Himmel mit den weißen Wolken und dem Boden auf dem Bildschirm zu sehen und ich dachte nur: "Das sieht unglaublich aus!"

Iwata:

Sie haben so etwas noch nie gesehen?

Nakago:

Genau. Ich habe noch nie so ein Spiel gesehen. Als ich dieses Bild sah, war es schon spät am Abend, aber ich habe Mr. Miyamoto sofort angerufen und ihm gesagt: "Wir haben etwas Unglaubliches hinbekommen!" (lacht)

Iwata:

(lacht)

Nakago:

Sogar ich war überrascht, dass das Famicom-System solch lebhafte Grafik darstellen konnte.

Iwata:

Mit diesem Bildschirm als Grundlage haben Sie also die Level entworfen, richtig?

Nakago:

Ja, genau. Mr. Miyamoto hat mir von Anfang an gesagt: "Sorgen Sie dafür, dass ein Level ungefähr eine Minute lang dauert." Bei einem normalen Spiel konnte man aber über einen einzelnen Bildschirm in einer Sekunde rennen.

Iwata:

Wenn es eine Sekunde dauert, um über den Bildschirm zu laufen, und man möchte einen Level haben, der eine Minute dauert, benötigt man 60 Bildschirme.

Nakago:

Gerade deshalb habe ich gefragt: "Sollen wir wirklich so viele Bildschirme entwerfen?" Mr. Miyamoto hat geantwortet: "Alle möglichen Dinge werden dazwischen passieren, so dass wir mit 20 Bildschirmen für einen einzelnen Level klarkommen müssten." Damals konnte ich noch nicht begreifen, was Mr. Miyamoto gemeint hatte.

Iwata Asks
Iwata:

Ich könnte mir vorstellen, dass Mr. Miyamoto schon viele konkrete Bilder im Kopf hatte, obwohl der Bildschirm nur einen Himmel, Wolken und einen Boden angezeigt hat.

Tezuka:

Ja, ich glaube, das stimmt. Wir haben schließlich nicht mal 20 Bildschirme benötigt.

Nakago:

Als es dann tatsächlich um den Entwurf der Level ging, benötigten wir nur ungefähr zwölf Bildschirme.

Tezuka:

Ja, das kommt ungefähr hin.

Nakago:

Selbst der längste Level, in den wir unsere ganze Energie gesteckt haben, benötigte insgesamt nur 32 Bildschirme. Davon gab es nur einen Level, alle anderen passten auch in kürzerer Form.

Iwata:

Ich verstehe.

Nakago:

Und obwohl Mr. Miyamoto keinen Level-Plan hatte, konnte er sich bildlich vorstellen, was kommen sollte. Ich habe mit Bewunderung beobachtet, wie er uns mit vollster Zuversicht sagte, was wir als Nächstes tun müssten.

Iwata:

Wie haben Sie die Level erstellt?

Tezuka:

Die Daten für die Level wurden manuell eingegeben. Wir haben zunächst einen Entwurf für den Level auf Papier gezeichnet und diesen an SDR mit einer Bitte weitergeleitet: "Der Level soll so aussehen, bitte."

Nakago:

Mr. Tezuka oder Mr. Miyamoto haben die Level auf einem riesigen Blatt Millimeterpapier gezeichnet. Wir mussten die Daten akribisch von Hand eingeben.

Tezuka:

Es war sehr zeitraubend.

Iwata:

Und wenn der Level geändert wurde, hat das Kopfzerbrechen bereitet.

Nakago:

Oh, ja. Als ich jeden Morgen zur Arbeit gekommen bin, hat man mir zwanzig Papierbögen überreicht und gesagt, das bitte eingeben.

Iwata:

Und man hat Ihnen Kommentare hinterlassen, wie etwa: "Bitte ändern Sie den Level an dieser Stelle so."

Nakago:

Ja, diese Anweisungen wurden mit Bleistift aufgeschrieben. Wir haben ganze Tage damit verbracht, sie zu wälzen und die Level entsprechend anzupassen. Anschließend, so gegen 10 Uhr abends, wenn wir fertig waren, haben wir die Daten auf eine ROM gebrannt, damit die zwei Herren den Level probespielen konnten. Wenn es dann irgendwelche Änderungen gab, habe ich sie am nächsten Morgen erhalten. Dieser Vorgang wurde immer wieder wiederholt.

Iwata:

Also hatten Sie einen täglichen Zyklus.

Nakago:

Wir haben es gerade so geschafft, die Änderungen in einem Zyklus von einem Tag vorzunehmen. Im Vergleich dazu sind die Dinge heute ein Paradies. Wir können heute die Level zehn oder 20-Mal an einem Tag anpassen.

Iwata:

So wie die Level heute entworfen werden, kann man kleine Veränderungen anfragen und sieht sie gleich mit eigenen Augen. Anschließend kann man den Level sofort spielen, um die Änderungen im Spielfluss zu überprüfen.

Nakago:

Damals hätte dieser Vorgang einen ganzen Tag gedauert.

Iwata:

Da fällt mir ein, ich habe mal gehört, wenn Sie die Level für "Super Mario" entwerfen, beginnen Sie eigentlich nicht mit dem ersten Bildschirm.

Iwata Asks
Nakago:

Das stimmt. Es kann sein, dass uns Welt 3 oder Welt 5 als Erstes einfällt. Das sind die unterhaltsamsten, für Neueinsteiger sind sie aber unglaublich schwer. In diesen Situationen verlegen wir die einfacheren Merkmale an den Anfang der Level.

Iwata:

Ich glaube, die meisten würden wohl annehmen, dass man meistens mit dem ersten Bildschirm anfängt und von da aus weitermacht. Das ist aber überhaupt nicht der Fall. Darüber haben wir ausführlich im vorherigen Iwata fragt-Interview gesprochen, dennoch bin ich der Meinung, das Design für Welt 1-1 ist ausgezeichnet.

Nakago:

Ah, Sie meinen, weil sie so entworfen wurde, dass der Spieler fast zwangsläufig den Pilz bekommt.

Iwata:

Stimmt. Ich war sehr beeindruckt, als mir das zum ersten Mal klar geworden ist. Ich dachte, ich wäre nicht der einzige, und habe jedem davon voller Stolz erzählt! (lacht) Wann auch immer jemand herausfindet, dass dieser Level mit dieser Absicht entworfen wurde, ist er sehr beeindruckt. Wie kam es zu genau diesem Design des ersten Levels?

Tezuka:

Das meiste wurde auf Papier festgelegt. Wir haben mit einem groben Umriss des Layouts begonnen und Mr. Miyamoto versorgte uns dann mit seinen konkreten Ideen: "Man kommt von hier. Und hier macht man etwas..."

Iwata:

Sie haben also den Spielverlauf des Levels auf Papier simuliert und sich überlegt, wenn der Spieler hier ist, wird er als Nächstes dies oder jenes tun wollen.

Tezuka:

So war es.

Nakago:

Und wir haben uns alle möglichen Szenarien vorgestellt. Wir haben beispielsweise überlegt, normalerweise würde ein Spieler den Pilz gleich bekommen, aber nur für alle Fälle, dass dies nicht geschieht, sorgen wir dafür, dass er ihn auf anderem Wege erhalten kann.

Iwata:

Das ist auch der Grund, warum die erste Röhre an dieser Stelle des Levels steht.

Nakago:

Genau, wenn der Pilz die Röhre berührt, prallt er von ihr ab. Sogar zu Beginn von Welt 1-1 waren alle Elemente von "Super Mario" vorhanden und abgestimmt.

Iwata:

Level 1-1 wurde also gegen Ende der Entwicklung entworfen?

Nakago:

Ja. Ich bin mir absolut sicher, dass wir den Level am Ende entworfen haben. Welt 1-1 war auch der Level, den wir bis zur letzten Minute angepasst haben.

Iwata:

Zum Veröffentlichungszeitpunkt gab es so etwas wie Spieleberater nicht. Hat der Spieler das Spiel zum ersten Mal gestartet, tendierte er dazu, die Bedienungsanleitung nicht zu lesen, und es gab niemanden, der ihm sagen konnte, was er tun sollte. In Sachen "Super Mario" hat alles klein angefangen, Sie haben das Spiel daher so entworfen, dass sich der Spieler mit den Dingen in dieser Welt vertraut macht und sie auf natürliche Weise in sich aufnimmt.

Tezuka:

Genau, darauf haben wir sehr geachtet.

Nakago:

Insbesondere in Welt 1-1.

Iwata:

Und ohne Zweifel war auch das der Grund, warum so viele Spieler dermaßen positiv auf "Super Mario" reagiert haben.