4. "Noch ein Versuch!"

Iwata:

Sie haben "New Super Luigi U" ja auf Basis von "New Super Mario Bros. U" entwickelt. Welche Unterschiede im Spielablauf sind dabei entstanden?

Takemoto:

"New Super Mario Bros. U" setzt die Spielreihe ja nahtlos fort, so dass man dabei auch beständig weiterkommen kann, aber in "New Super Luigi U" gibt es schon einige ziemlich herausfordernde Hindernisse.

Iwata:

Und die sind schwieriger als bei "New Super Mario Bros. U"?

Takemoto:

Ja. Wir haben es ein paar Leute spielen lassen, um das Spiel auch in der Firma bekanntzumachen, und das war noch vor den letzten Veränderungen. Da war es wirklich eine ziemliche Herausforderung, und eine Person ist schon bei der Festung in der ersten Welt nicht weitergekommen. Ich hatte an diesem Tag noch einiges zu erledigen und musste nochmal weg, aber als ich zurückgekommen bin, hatte er es geschafft und sah ziemlich zufrieden aus. Dann habe ich mir von ihm zeigen lassen, wie oft er es versucht hatte, und der Zähler stand bei ihm auf 20 Versuchen!

Iwata:

Normalerweise würde man nach ungefähr fünf Versuchen langsam die Motivation verlieren.

Takemoto:

Ja. Aber wie ich vorhin schon erwähnt habe, haben wir die Level eher kurz gemacht, und da wurde mir klar, dass das ideal für ein Spiel ist, bei dem man manchmal mehrere Versuche braucht.

Iwata:

Egal wie oft man es nicht schafft, man denkt dann immer: "Noch ein Versuch!"

Takemoto:

Es gibt bei Nintendo auch ein Team von erfahrenen Mitarbeitern, die Spiele testen, indem sie sich in die Spieler hineinversetzen, die eher Spieleanfänger, oder einfach nicht besonders geübt darin sind.

Iwata:

Richtig. Wir müssen ja nachvollziehen, wie die Spiele auf alle möglichen Leute wirken, und deshalb sind in dieser Gruppe auch Leute, die ursprünglich nicht besonders gut bei Videospielen waren.

Takemoto:

Ein Mitglied des Teams konnte "New Super Mario Bros. U" einfach nicht durchspielen, aber hat uns gesagt, dass es bei diesem Spiel geklappt hat.

Iwata:

Ah!

Takemoto:

Es ist vielleicht nicht besonders nett, wenn ich das sage, aber ich hatte nicht erwartet, dass überhaupt ein Teammitglied das Spiel durchspielen könnte.

Iwata:

Das überrascht mich auch. Aber damit können Sie ja auch andere Leute motivieren, indem Sie sagen: "Dann müssen Sie das doch auch durchspielen können!" (lacht)

Takemoto:

Es ist ein Spiel daraus geworden, das auch Leute durchspielen können, die eigentlich nicht besonders gut bei Videospielen sind, wenn sie sich nur ausdauernd der Herausforderung stellen.

Iwata:

Ich denke, dass es gerade bei der "Super Mario"-Reihe äußerst wichtig ist, dass die Motivation aufrechterhalten wird, es immer wieder zu probieren. Ich glaube, dass ein "Super Mario"-Spiel eigentlich nur wirklich ein richtiges "Super Mario"-Spiel sein kann, wenn die Leute dabei denken: "Das schaff ich schon", oder "Ich komme zumindest immer etwas weiter", oder "Das ist zwar schiefgegangen, aber es war auch mein Fehler."

Iwata Asks
Tezuka:

Das stimmt. Diesmal ist die Herausforderung zwar größer, aber ich denke, dass wir mit den Levels genau die richtige Länge erreicht haben, um ein optimales Maß an Spannung aufrechtzuerhalten. Selbst wenn man einen Fehler macht, denkt man so, dass man es fast geschafft hätte und noch einmal probieren will.

Iwata:

Wenn man die Schwierigkeit erhöht, denken manche Leute normalerweise, dass das für sie unmöglich sein wird. Aber bei diesem Spiel haben die Level genau die richtige Länge, so dass der höhere Schwierigkeitsgrad perfekt passt.

Tezuka:

Ja.

Takemoto:

Aber bei diesem Spiel muss man alle 82 überarbeiteten Level ja auch noch schaffen, bevor die 100 Zeiteinheiten des Zählers abgelaufen sind.

Iwata:

Und wieso?

Takemoto:

Diese Richtlinie hatten wir ursprünglich den Leuten vorgegeben, die die Level erstellen sollten.

Tezuka:

Wir konnten zwar sagen: "Sie sollen kurz sein", aber jeder ...

Iwata:

Ah, jede Person hat natürlich eine eigene Vorstellung davon, was "kurz" für sie bedeutet.

Tezuka:

Genau. Deshalb haben wir die strenge Richtlinie vorgegeben, dass man die Level in 100 Zeiteinheiten abschließen können musste.

Iwata:

Es ist ja interessant, dass aus dieser Richtlinie für Entwickler auch eine Vorgabe für die Spieler geworden ist.

Takemoto:

Wir dachten, dass es für die Spieler eine Hilfe wäre, sich in den Levels zu orientieren, wenn wir diese Vorgabe beibehalten würden. Wenn man z. B. Schwierigkeiten hat und nur noch zehn Zeiteinheiten auf dem Zähler stehen, weiß man aber, dass man schon fast am Ende des Levels ist.

Iwata:

Dann denkt man: "Ich versuch's gleich nochmal!"

Takemoto:

Genau. Man will es immer wieder probieren.

Tezuka:

Aber durch diese Vorgabe von 100 Zeiteinheiten gab es natürlich auch Level, die man nur ganz knapp schaffen konnte. Manchmal ist so etwas ja auch gut, weil es für die richtige Spannung sorgt, aber wenn das bei allen Levels so wäre, wäre das nicht so toll.

Takemoto:

Stimmt. Ich war schon immer relativ gut bei "Super Mario"-Spielen, und ich habe Luigis Sprungfähigkeit angepasst, ich bin also ...

Iwata:

Sie sind sehr vertraut mit diesen Spielen.

Takemoto:

Ja. Mir sollte es also nicht schwer fallen, aber in einer ganzen Reihe von Levels habe ich die 100 Zeiteinheiten überschritten, wenn ich bei einer schwierigen Stelle gezögert hatte. Ich fand das eigentlich nicht so gut, aber gleichzeitig waren die Level auch toll gestaltet ...

Iwata:

Wahrscheinlich wollten Sie zu diesem Zeitpunkt die Level auch nicht noch weiter kürzen.

Takemoto:

Richtig. Wenn wir noch mehr gekürzt hätten, hätte es auch das ganze tolle Design der Levels ruinieren können. Also haben wir darüber gesprochen, die Zeitvorgabe auf 200 zu erhöhen, aber ...

Iwata:

Wenn Sie die Vorgabe verdoppelt hätten, wären die Level wieder ziemlich langatmig geworden.

Takemoto:

Stimmt. Die Vorgabe von 100 war schon genau richtig.

Iwata:

Und wie haben Sie dieses Problem dann gelöst?

Tezuka:

Darf ich das sagen? (lacht)

Iwata Asks
Takemoto:

Ach, nur zu. (lacht)

Tezuka:

Wir haben jede Zeiteinheit des Zählers im Vergleich mit "New Super Mario Bros. U" einfach ein bisschen länger gemacht! (lacht)

Alle:

(lachen)

Iwata:

Wenn Sie es zu knapp gemacht hätten, hätte der durchschnittliche Spieler die Level nicht abschließen können, und deshalb haben Sie sich am Ende entschlossen, die Zeitvorgabe etwas zu lockern.

Tezuka:

Ganz genau.

Takemoto:

Die Zeiteinheiten in vielen "Super Mario"-Spielen sind meist deutlich kürzer als eine Sekunde, aber als wir die Anpassung vorgenommen haben, habe ich Mr. Tezuka gesagt, dass wir die Zeiteinheiten auch auf ungefähr eine Sekunde verlängern könnten, so dass wir die Level nicht mehr verändern müssten.

Tezuka:

Ich denke, das hat das Spielgefühl noch deutlich verbessert. Viele Leute in der Firma haben das Spiel getestet und uns erzählt, wie sie es fanden, und viele von ihnen haben gesagt, dass es zwar am Anfang schwierig war und sie dachten, dass sie es nicht schaffen könnten, aber dass es ihnen dann doch Spaß gemacht hat, es immer wieder zu probieren.

Iwata:

Selbst wenn man an einer schwierigen Stelle Fehler macht, möchte man es weiter probieren. Was meinen Sie, woran das liegt?

Takemoto:

Also, in erster Linie an den kürzeren Levels, denke ich.

Iwata:

Aber wenn die Spieler hören, dass die Level kürzer sind, könnten sie ja auch denken, dass es weniger Spielinhalt gibt und ihnen etwas entgeht.

Tezuka:

Tja, die Level sind zwar kürzer, aber sie sind wirklich perfekt gestaltet - und das hat mich sogar davon überzeugt, dass die Level in der "Super Mario"-Reihe alle wieder diese Länge haben sollten.

Iwata:

Hmm. Die Entwicklung dieses Spiels hat Ihnen also wieder verdeutlicht, was an kompakten, durchgestalteten und kürzeren Levels so toll ist.

Tezuka:

Ja. Aber das hängt natürlich auch vom Spielerlebnis in den jeweiligen Spielen ab, und manchmal sind eben längere Level genau richtig.

Iwata:

Aber Sie mögen auch die kurzen Level.

Tezuka:

Ja!