1. Wären nicht „einfach nur Buttons“ auch völlig ok?

 

Anmerkungen der Redaktion:
Dieses Interview wurde erstmals am 20. Juli 2011 auf der japanischen Nintendo-Webseite veröffentlicht.
In diesem Interview werden Videos aus der japanischen Version des Spiels gezeigt. In Deutschland wird das Spiel auf Deutsch erhältlich sein.

Iwata:

Heute habe ich Sie alle hier versammelt, um über Beat the Beat: Rhythm Paradise zu sprechen. Mr. Tsunku, es ist schon wieder drei Jahre her, dass wir uns trafen, um über das vorige Spiel der Serie zu sprechen – nämlich über Rhythm Paradise1 für das Nintendo DS-System bei einem „Iwata fragt”-Interview. 1 Rhythm Paradise: Ein Rhythmus-Spiel, das 2008 in Japan für den Nintendo DSi veröffentlicht wurde. Es ist das zweite Spiel der Serie. (In Japan ist es als Tengoku Gold bekannt.)

Tsunku:

Die Zeit ist sehr schnell vergangen.

Iwata:

Die Rhythm Paradise-Serie wurde (in Japan) ursprünglich für das Game Boy Advance-System herausgebracht. Ihnen ist es zu verdanken, dass so viele Leute das Nachfolgerspiel für das Nintendo DS-System gespielt haben. Jetzt ist schon wieder viel Zeit vergangen. Und definitiv ist es jetzt an der Zeit, ein Spiel für die Wii-Konsole herauszubringen. Ich möchte Sie bitten, sich zu Beginn des Interviews kurz vorzustellen und zu beschreiben, womit Sie sich dieses Mal im Einzelnen beschäftigt haben – wenngleich sich Mr. Tsunku eigentlich nicht noch einmal vorstellen müsste! (lacht)

Tsunku:

Ich freue mich, heute hier zu sein. Wie bei dem vorigen Spiel fungierte ich auch hier als Produzent. Ich war für die Gesamtproduktion und größtenteils für das Songwriting verantwortlich. Außerdem gab ich die Richtung vor und trug Sorge dafür, dass sich das Spiel nicht vom seinem Grundcharakter – nämlich dem eines „witzigen Rhythmus-Spiels“ – entfernte.

Iwata Asks
Iwata:

Diese Serie ist Ihrem Wunsch entsprungen, das Rhythmusgefühl der Japaner zu verändern. Und diese Energie ist auch heute noch spürbar.

Tsunku:

Ja, das stimmt wirklich. Ich möchte immer noch, dass die Japaner etwas für ihr Rhythmusgefühl tun, sogar heute noch.

Kamada:

Ich bin Koji Kamada von TNX2. Es freut mich, Sie kennenzulernen. 2 TNX Inc.: Ein japanisches Unterhaltungsunternehmen mit Firmensitz in Minato Ward, Tokio, deren Firmenpräsident Mr. Tsunku ist.

Iwata Asks
Iwata:

Wir treffen uns heute zum ersten Mal. Das freut mich sehr.

Kamada:

Als Sound-Direktor erhielt ich die Lieder, die Mr. Tsunku komponiert hatte, und brachte diese nach der Rhythmus-Theorie in eine gewisse Form.

Iwata:

Was beinhaltet das genau?

Kamada:

In den Demo-Songs von Tsunku gibt es Melodien und Rhythmen, die man nicht vollständig mithilfe der Noten einer Partitur ausdrücken kann. Wir haben großen Wert darauf gelegt, das Gefühl dieser Songs ganz genau wiederzugeben.

Iida:

Hallo, ich bin Hiroshi Iida. Als Assistent von Mr. Tsunku half ich Spiele zu begleiten – vom Original- Rhythm Tengoku 3 für das Game Boy Advance-System bis hin zu Beat the Beat: Rhythm Paradise. Außerdem fungierte ich als Mittler zwischen der Belegschaft in Kyoto und TNX. 3 Rhythm Tengoku: Ein Rhythmus-Spiel, das im August 2006 in Japan für das Game Boy Advance-System erschien. Hierbei handelt es sich um das erste Spiel der Serie. Es kam außerhalb von Japan nicht zur Veröffentlichung.

Iwata Asks
Iwata:

Mr. Iida, also waren Sie vom ersten Spiel an mit dabei. Und auch dieses Mal spielten Sie eine wichtige Rolle bei der Kommunikation mit Nintendo. Also haben wir Ihnen viel zu verdanken.

Takeuchi:

Ich bin Mr. Takeuchi von der Abteilung Softwareplanung & -entwicklung bei Nintendo. Ich war für die Leitung der Gesamtgrafik in Bezug auf die Charaktere und die Spielwelt verantwortlich.

Iwata Asks
Yone:

Ich bin Yone, auch von der Abteilung Softwareplanung & -entwicklung. Ich arbeitete am Sound, einem Teil der Hintergrundmusik, Soundeffekten und so weiter.

Iwata Asks
Masaoka:

Ich bin Mr. Masaoka von der Abteilung Softwareplanung & -entwicklung. Dieses Mal habe ich auch als Programmierer gearbeitet. Ich wirkte an ganz verschiedenen Dingen mit, wie z. B. an der Ideenfindung und der Feinabstimmung des Spiels.

Iwata Asks
Iwata:

Ok, vielen Dank. Mr. Tsunku, das vorige Spiel, Rhythm Paradise , hat sich zwei Millionen Mal verkauft. Von Null anzufangen und das zweite Spiel dann für eine Serie zu entwickeln, die sich so gut verkauft, kommt sehr selten vor. Was war das für ein Gefühl, als das Spiel immer weitere Kreise zog?

Tsunku:

Ich glaube, viele Leute haben die Serie durch das vorhergehende Spiel kennengelernt. Man kann es entweder nur fünf Minuten lang oder aber immer wieder spielen. Man kann aber auch sagen: „Lass mich nur mal eine Minute lang spielen!“ Das Spiel verfügt über die grundlegenden, für Videospiele wesentlichen Elemente. Und es hat einen ganz universellen Rhythmus, der, so glaube ich, jeden - von Kindern bis hin zu Erwachsenen - begeistert hat.

Iwata:

Es hat sich immer weiter verbreitet. Sie haben einmal gesagt, dass es zwar viele Musikspiele gibt, diese Sie aber frustrieren, weil Sie beim Spielen immer denken: „Muss ich hier auf irgendeinen Knopf drücken?“ Ich denke, die Spiele sind Ihnen deshalb so gut gelungen, weil die Rhythmen an sinnvollen Stellen platziert wurden.

Tsunku:

Wenn dem so ist, dann freut mich das.

Iwata:

Und bis jetzt haben sich die Musikspiele ja auch geradezu bemüht, schwierig zu wirken, indem sie das Tempo und die Anzahl der Noten extrem steigern und dabei ein unnatürliches Timing einführen. Aber all das erschien Ihnen nicht richtig.

Tsunku:

Genau. Bei dieser Serie haben die schwierigen Spiele manchmal weniger Noten oder ein langsameres Tempo. Das macht geübten Spielern Spaß. Und wenn es dann auch weniger geübte Spieler hinkriegen, haben diese ein unglaubliches Erfolgserlebnis.

Iwata:

Damit haben Sie mit den zwei vorhergehenden Spielen zum Teil schon Ihr Ziel, den Japanern zu einem besseren Rhythmusgefühl zu verhelfen, verwirklicht. Was hat Sie dieses Mal motiviert?

Iwata Asks
Tsunku:

Obwohl ich schon Jahrzehnte lang als Musiker arbeite, empfinde ich das Entwickeln von neuen Rhythmen immer noch als sehr erfrischend. Ich denke dann einfach: „Ach, diesen Rhythmus würde ich gern mal ausprobieren!“ Das letzte Mal hatten wir uns mit Tasten und Schnalzen beschäftigt. Bei dem Wii-Spiel haben wir uns daher auf Dinge konzentriert, die an ein Schlagzeug erinnern, wie das Hämmern und Schlagen bei dem Spiel für den Game Boy Advance. Und weil man das Spiel dieses Mal auf dem Fernsehbildschirm gemeinsam mit anderen erleben kann, haben wir uns auf Dinge konzentriert, die Familienmitglieder derart begeistern, dass sie diese unbedingt selbst ausprobieren wollen.

Iwata:

Sieht man jemandem beim Spielen eines Rhythmusspiels zu, dann denkt man manchmal: „Warum kriegst du so leichte Dinge nicht hin? Lass mich das mal versuchen!” Wenn man es dann allerdings selbst probiert, kriegt man es auch nicht hin. Und gerade das ist der Reiz.

Tsunku:

Besonders viel Spaß macht es, zu Hause Beat the Beat: Rhythm Paradise zu spielen. Unerwartete Fehler amüsieren die Familie. Spielt zum Beispiel ein Pärchen, dann kann es passieren, dass der Junge, der seine Freundin immer ein bisschen aufzieht, diese vielleicht viel besser als sich selbst findet! (lacht) Aber wenn man erst drei- oder viermal gespielt hat, wird man mit Sicherheit besser. Das ist ein ganz wichtiger Punkt.

Iwata Asks
Iwata:

Man findet seine eigenen Fortschritte also bestätigt und kann damit die Leute um sich herum zum Schmunzeln bringen. In dieser Hinsicht war es einfach unumgänglich, dass die Serie, die auf den Handheld-Konsolen groß geworden ist, schließlich den Sprung auf die Heimkonsole wagte. Mr. Takeuchi, wie haben Sie das Potential von Beat the Beat: Rhythm Paradise bei Nintendo aufgebaut?

Takeuchi:

Zunächst machten wir uns darüber Gedanken, was wohl besser zu der Serie passen würde: auf der Wii-Fernbedienung Knöpfe zu drücken oder die Fernbedienung zu schwenken. Wir ließen Mr. Masaoka einen Prototyp erstellen. Wenn wir so richtig in Fahrt kamen, ermüdete das Schwenken mit der Wii-Fernbedienung unsere Hände.

Masaoka:

Das stimmt. Wenn man die Fernbedienung lange schwenkt, ermüdet man, und dann wird es allmählich zu anstrengend.

Yone:

Man müsste sie viel öfter als bei anderen Spielen schwenken.

Iwata:

Ich kann mir vorstellen, dass Sie zunächst dachten, die Wii-Fernbedienung müsse man einfach schwenken, und dass Sie daher versuchten, dieses Schwenken in die Serie einzubauen.

Tsunku:

Ja. Aber hätten wir uns zu sehr auf das Schwenken mit der Wii-Fernbedienung konzentriert, könnten Sie das Spiel jetzt nicht spielen.

Iwata:

Verglichen mit anderen Spielen wie Wii Sports4, erfordert diese Serie von dem Spieler eine überwältigende Menge an Input – gemessen an der Spieldauer. Für mich war es nie unbedingt erforderlich, die Wii-Fernbedienung zu schwenken. Und dann kamen Sie zu mir und fragten mich ganz zögerlich, ob nicht Buttons hier am besten funktionieren würden. Und ich erwiderte: „Wären nicht „einfach nur Buttons“ auch völlig ok?” 4 Wii Sports: Ein Sportspiel aus fünf Sportarten – Tennis, Golf, Bowling, Baseball und Boxen –, das gleichzeitig mit der Wii-Konsole im Dezember 2006 veröffentlicht wurde. Der Folgetitel Wii Sports Resort wurde in Japan im Juni 2009 veröffentlicht.

Tsunku:

Es brächte doch keinen Spaß, würde es nicht solche Spiele geben.

Takeuchi:

Dieses Mal kommen nur Buttons zum Einsatz, und die Grafiken sind in 2D. Tut mir Leid. (lacht)

Iwata Asks
Iwata:

Das ist schon ok! (lacht) Das ist zwar gegen den Trend heutiger Videospiele, hebt das Spiel damit aber noch mehr von der Masse ab.

Masaoka:

Wir haben auch mit 3D-Modellen experimentiert, aber die 2D-Grafiken reagierten einfach schneller auf die gedrückten Buttons. Dadurch wurden die Bewegungen eleganter.

Yone:

Manchmal wirken Grafiken einfach nicht, wenn sie zu realistisch sind.

Iwata:

Drückt man zum Beispiel auf einen Knopf, um mit der Faust zuzuschlagen, dann gibt es da einen Moment, in dem der Arm von der Ausgangsposition zur ausgestreckten Faust übergeht. An dieser Stelle würden realistischere Grafiken unnatürlich wirken. Aber bei abstrakteren Grafiken ist das schon ok, weil unsere Sinne das akzeptieren. Dann haben Sie also tatsächlich viel ausprobiert, bis Sie schließlich zu dem Spiel gelangten, das wir heute haben.